Tatort Kanzleramt: Warum schwieg Hans Martin Bury?

Hier arbeitet der Mann, der heute die Regierung ins Wanken brachte. Soll noch einmal einer sagen, dass Beamte nichts bewegen. Dabei hat Erwin Bixler nur seinen Job gemacht

Erwin Bixler, Innenrevisor beim Landesarbeitsamt Rheinland-Pfalz-Saarland: „Ich war von meinem Arbeitgeber beauftragt, die Bearbeitung von Stellenangeboten zu untersuchen. Und bei dieser Untersuchung sind uns viele Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Die Feststellungen waren so schwerwiegend, dass ich um ein authentisches Prüfungsergebnis abliefern zu können, darüber berichten musste. Sonst hätte ich meine Dienstpflichten verletzt.“

Hat er nicht und deswegen soll jetzt der Staatsminister im Kanzleramt seinen Hut nehmen. Der Arbeitsminister sowieso und besser noch der Kanzler selbst, sagt die Opposition.

Laurenz Meyer, CDU-Generalsekretär: „Ganz offensichtlich ist es doch so, dass hier vom Kanzleramt und vom Arbeitsministerium versucht worden ist, die Sache untern Teppich zu kehren und zu vertuschen. Umso unverständlicher ist dann anschließend diese gespielte Empörung.“

Damit meint er den Regierungssprecher, der Vertuschungsversuche umgehend heftig dementiert hatte.

Uwe-Karsten Heye, Regierungssprecher: „Hier also dem Staatsminister zu unterstellen, dass er hier irgendetwas hätte zudecken oder decken wollen, ist wirklich absurd.“

Und das war passiert: Als Erwin Bixler im Dezember diesen Bericht des Bundesrechnungshofes in die Hand bekam, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Denn genau die gleiche Schlamperei in den Statistiken über vermittelte Arbeitsplätze hatte er drei Jahre vorher bereits aufgedeckt.

„Die vielen Möglichkeiten, die Ergebnisse zu frisieren, waren die wesentlichen Ursachen für die miserable Qualität des Vermittlungsprozesses“, steht in Bixlers Schreiben. Bixlers ausführlicher Mängelbericht ging nach Nürnberg und dann passierte drei Jahre lang nicht viel. Im Protokoll wird damals festgehalten: Der Präsident wollte den Bericht so nicht hinnehmen: „Herr Jagoda bittet deshalb darum, die Geschäftsvorgänge der Arbeitsvermittlung auf Plausibilität und Faktizität hin zu untersuchen.“

Dabei hätte auch Jagoda auf jedem Bildschirm in seinen Arbeitsämtern nachsehen können, wie selbstverständlich hier getrickst wird. Bei so manchem Stellenangebot die Warnung: „Achtung: Bitte keine Vermittlungsvorschläge unterbreiten, da dies ein fiktives Stellenangebot ist!!!“

Nur ein Trick von vielen, um die Statistik aufzublähen. Oberstes Gebot in den Arbeitsämtern: je mehr Arbeitslose, desto mehr Personal und Kohle aus dem Staatssäckel. All dies hatte Bixler dem Kanzleramtsminister nach und nach offenbart und am 28. Januar schließlich auch dem Arbeitsminister. Zwei Tage später durfte der Sachbearbeiter das Ganze im Ministerium noch einmal persönlich erläutern.

Seither hat Herr Jagoda ein Problem. Dass es zum Rücktritt reicht, sieht er zwar noch nicht ein, aber er ahnt es langsam.

Bernhard Jagoda, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit: „Ich habe meinen Rücktritt nicht gefordert. Ich schließe überhaupt nichts aus. Ich bin der Diener der Arbeitsverwaltung, der Vorturner, und dann warten wir alles ab. Ich habe nichts weiter dazu zu sagen.“

Dem pflichtbewussten Revisor Erwin Bixler dagegen wird kein Haar gekrümmt. Befehl vom Minister.

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