Hauptsache teuer

Wir sind in der Nähe von Frankfurt. Hier hat sich der ehemalige Hypobank-Mitarbeiter Kinzig ein Reihenhaus gekauft. Jahrelang wurde er, getarnt über seine Frau, von einem Kreditvermittler geschmiert. Reden möchte er darüber nicht – die Tür wird uns vor laufender Kamera zugeknallt. Auch beim Notar Hans-Peter Schäfer in Rüsselsheim gibt es kein Gespräch. Hier wurden Immobiliengeschäfte beurkundet – die Vermittler zahlten unzulässige Provisionen über das Konto der Frau des Notars.

Rechtsanwalt Klaus Kratzer erklärt, wie das System funktionierte: „Ohne einen Vermittler, der bereit ist, wider besseren Wissens den Anlegern so einen Unsinn zu erzählen, geht die Geschichte nicht. Ohne einen Notar, der bereit ist, trotz der Kenntnis des Grundbuchinhaltes, so einen Unsinn zu beurkunden, läuft der Betrug auch nicht. Und ohne eine Bank, die bereit ist, trotz Kenntnis des geringen Verkehrswertes, so hohe Darlehen herauszugeben, funktioniert eine solche Tat ebenfalls nicht. Sprich, alle Beteiligten in diesem Spiel mussten Kenntnis hiervon haben und mussten bereit sein mitzuspielen.“ Zustimmung von Wolfgang Unger, eine ganz enge Zusammenarbeit sei es gewesen.

2500 statt 163 Mark

Ein weiteres Opfer der geschmierten Zusammenarbeit zwischen Vermittlern, Notaren und Banken ist Gisela Schreiber. Ihr wurde eine Wohnung im schönen Schwaben, in Albstatt-Ebingen aufgeschwatzt. Mit den üblichen Versprechungen: 163 Mark monatlich, den Rest zahle die Steuer und der Mieter.

Heute überweist Gisela Schreiber der Hypovereinsbank jeden Monat 2500 Mark.

Sie hatte den Werbesprüchen geglaubt. Vor allem, dass die Bank den Wert der Wohnung geprüft habe, war ihr wichtig – es klang doch alles so gut. „Die Wohnung ist auf dem freien Markt 278.000 Mark wert, das könnten wir auf jeden Fall wieder erzielen“, habe man ihr versichert. Die Mieten seien sehr hoch, wegen der Schulen in der Stadt und der günstigen Verkehrslage. „Ja“, seufzt sie. Soviel dazu.

Gisela Schreiber ist wie Hunderttausend andere auf den Bewertungstrick der Hypobank reingefallen: Alle Wohnungen sind bankgeprüft. Was die Geprellten nicht wussten: Auf den errechneten Verkehrswert durften zeitweise bis zu 80 Prozent Provisionen und Nebenkosten aufgeschlagen werden. So wurden die Preise aufgepumpt, die Kreditsummen damit höher und die Bank kassierte entsprechend hohe Zinsen.

Kräftiger Aufschlag

Die früheren Akteure erklären uns das Hypobank-System der überhöhten Werte. Wolfgang Unger: „In der Hypobank war generell eine eigene Wertermittlungsabteilung dafür zuständig, die angebotenen Immobilien zu prüfen und einen gewissen Wert festzulegen, der dann für alle Filialen im Bundesgebiet ersichtlich war.“ „So und aufgrund der internen Weisungen“, erklärt Marian Vesely, „konnten wir von diesem Verkehrswert entsprechend 130, 160 oder 180 Prozent finanzieren.“ Lag der Verkehrswert der Immobilie beispielsweise laut Bank bei 100.000 Mark und der Kaufpreis bei 150.000 Mark, konnten die Vermittler bis 160.000 Mark gehen, berichtet Unger.

Gisela Schreiber hat also, so belegen es die Bankunterlagen, für eine Wohnung die maximal 220.000 Mark wert war, 306.000 Mark bezahlt. Obwohl die Hypobank den Verkehrswert kannte und Frau Schreiber sogar die Wertermittlungskosten zahlen ließ. Ein abgefeimtes System, das funktionierte, weil alle Beteiligten darüber schwiegen. „Stellen sie sich vor, sie als Vermittler bringen mir einen Kunden und ich als Banker sage dem Kunden, das Objekt ist es nicht wert. Dann hätte mir jeder Vermittler den Kopf abgerissen und er hätte weniger Provisionen bekommen, weil wir natürlich weniger finanziert hätten.“

Verwaltet wurden die Immobiliengeschäfte der Bank mit Computerprogrammen namens VIPS und BEWIS. Anwalt Klaus Kratzer besitzt eine Kopie des Programms. Jede Wohnung, jeder Wert, jeder Vermittler und jede Provision waren abrufbar. Eben ein gut organisiertes Geschäft.

Doch die Bank behauptet heute, dass es solch exakte Daten und Programme gar nicht gäbe. „Vielleicht haben sie es heute nicht mehr“, räumt Ex-Hypobanker Vesely ein. „Aber damals war das unser täglich Brot. Wir mussten damit arbeiten. Es war meine Pflicht, in den Computer reinzuschauen, ob das Objekt vorhanden ist, der Vermittler, der Kunde.“ Alles sei in dem Programm erfasst worden: Betreuer-, Bauträger- und Vermittlerdaten. So konnte sich der Vorgesetzte auf Knopfdruck einen Überblick verschaffen. „Das war unser Ziel, das haben wir erreicht, da haben wir soundsoviel verdient.“

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