Reportage: Schröder und Clement bei den Profis

Ist es ihnen schon aufgefallen? Jeder hat so seinen eigenen Wallfahrtsort. Die Bayern gehen nach Altötting, die Polen nach Tschenstochau, die Hartzianer pilgern nach Wolfsburg. Denn dort lebt und wirkt Peter Hartz, Vorstandsmitglied bei VW, und nicht wenige sagen, der Mann sei ein Charismatiker und leuchte manchmal regelrecht von innen. Sein Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist zwar noch keine Religion, auch wenn man manchmal fast schon den Eindruck hat. Zwei trieb es jedenfalls in dieser düsteren Woche nach Wolfsburg, den Kanzler und seinen Superminister. Dort gab es Trost und den einen oder anderen fast weihevollen Augenblick. Robin Lautenbach war dabei.

Die Werkspolizei zeigt, was sie kann: Wie einen Staatsbesuch zelebriert man in Volkswagenland das Eintreffen von Bundesminister Clement. Begrüßung durch VW-Chef Pischetsrieder und Arbeitsdirektor Hartz.

Volkswagen in Wolfsburg, herzerwärmend für jeden Sozialdemokraten, auch in Krisenzeiten: Ein Autowerk mit 20 Prozent Staatsbeteiligung, und trotzdem profitabel – da macht es dem SPD-Minister Spass, den Arbeiter zu mimen.  Auch wenn dafür die Bänder angehalten werden müssen.

Der tiefere Sinn des Minister-Besuches: Die Stadt Wolfsburg hat in vier Jahren die Arbeitslosigkeit halbiert, mit Hilfe von VW, natürlich, aber auch mit den Ideen des umtriebigen VW-Direktors Hartz. Der ist hier eine Ikone.

Umfrage unter Arbeitern:

„Er hat ja einiges an Arbeitsplätzen sichergestellt hier bei Volksawgen. Schon alleine deswegen. Er hat gute Ideen gehabt, die er seinerzeit hier gut umgesetzt hat.“

„Sehr innovative Ideen, die er in der Vergangenheit gebracht hat. Da war das „Auto 5000“, das wir gerade in der Entstehung haben mit dem Start des neuen „Tourans“.

„Ich hoffe, dass die Vorschläge, die der Dr. Hartz gemacht hat, heute Abend ein bisschen Anklang finden.“

In die Autostadt hatte Peter Hartz sie am Abend nämlich eingeladen, die sogenannten Profis der Nation, zunächst die 4465 Profis aus Wolfsburg – zur ersten großen Motivationsshow im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

Peter Hartz, Arbeitsdirektor VW: „Arbeitslosigkeit kennt keine Schuldigen. Jeder Arbeitslose hat ein Gesicht, jeder ein Schicksal. Arbeitslosigkeit kennt keine Grenzen: heute der Arbeiter, morgen der Banker. Jeder kann betroffen sein.“

Ein bisschen Erweckung, ein bisschen Heilsversprechen. Auch der Minister rief die Profis auf, die Lehrer, Pfarrer, Sozialarbeiter, Unternehmer, Betriebsräte und Künstler: zur Mission für Arbeitslose. Und sie legten dann auch schon Zeugnis ab:

Kirsten Voss, Studentin: „Ich sage Ja. Ich lasse mich auf die Sache hier ein, ich bin dabei, ich mache mit, und ich trage meinen Teil zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bei.“

Der Kanzler saß im Publikum. Er freute sich über das Engagement. Die Wolfsburger Profis allerdings wissen schon , wo Wunsch und Wirklichkeit zusammenpassen – und wo nicht.

Norbert Eick, Lehrer: „Auch in der Schule, im Unterricht, hat man es immer mit Einzelnen zu tun. Und was ist der tiefere Hintergrund? Die große Showveranstaltung ist ein Anfang, aber ist nicht die Sache selbst.“

Georazd Vrbica, Unternehmensberater: „Ich bin zum Beispiel im Consulting tätig. Für was wir uns bemühen, ist natürlich neue Opportunities für neue Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen. Wir wachsen auch ganz kräftig, deswegen hoffen wir, dass wir den einen oder anderen dazuziehen können.“

Ina Langner, Tanztrainerin: „Ich bin Vereinsvorsitzende in einem Tanzsportverein. Allerdings muss ich gestehen, dass ich momentan nicht viel dazu beitragen kann. Ich muss leider noch einen Trainer entlassen, weil unsere Mitgliederzahl doch sehr geschrumpft ist.“

Peter Möhler, Malermeister: „Wir könnten aufgrund unserer Auftragslage circa drei Leute sofort beschäftigen in unserem Malerbetrieb. Die Aufträge sind da. Aber die Banken, sowohl die Sparkasse als auch die Volksbank, haben ein gewisses Kreditlimit mit uns, das für vier Leute reicht, wenn ich das vorfinanzieren muss, und der Rest gibt es nicht her.“

Aber Kanzler und Minister hat es gut gefallen in der sozialdemokratischen Kuschelecke von VW. Schade nur, dass nicht ganz Deutschland VW-Land ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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