Ost-West-Karrieren: Eberts Enkel

Friedrich Ebert, der erste Reichspräsident der deutschen Republik, ist eine Traditionsfigur der SPD. Die Familie Ebert spiegelt bis heute die Spaltung in Deutschland Ost und Deutschland West wider. Für den „Bericht aus Berlin“ hat ARD-Korrespondent Joachim Wagner zwei Enkel Friedrich Eberts besucht.

Georg Ebert, ein Enkel des ersten sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert besucht gern das Archiv, in dem der Nachlass seines Großvaters aufbewahrt wird. Der ehemalige Ökonomieprofessor an der SED-Parteihochschule und Ebert-Nachkomme sitzt dort an einem der Tische im Lesesaal, beugt sich über ein großes Buch aus dem Nachlass des Ahnen und blättert darin. Mit seinem berühmten Großvater stimmte er zwar politisch nie überein, sein Aufstieg vom Sattlergesellen zum Reichspräsidenten und seine Selbstlosigkeit haben ihn gleichwohl beeindruckt. „Er hat zum Beispiel während des Krieges seinen Einfluss nicht geltend gemacht, um seine Söhne vom Fronteinsatz zurück zu halten“, erzählt Prof. Dr. Georg Ebert, Ebert-Enkel aus Deutschland Ost. Bekanntlich seien ja zwei der Söhne Friedrich Eberts im Ersten Weltkrieg gefallen.

Ost und West: Ökonomie-Professor und Journalist

Auf einem alten schwarzweiß Foto posieren wie Orgelpeifen aufgereiht die vier Enkel des Reichspräsidenten zusammen mit ihrer Großmutter Louise unter freiem Himmel vor ein paar Bäumen: Vorne links steht Georg, hinten rechts Heinrich. Dieser Heinrich Jaenecke hat sich als Reporter und Kolumnist bei „Quick“ und „Stern“ einen Namen gemacht. „In meiner kindlichen Vorstellung war mein Großvater Friedrich Ebert die dominierende Figur, auch durch seine Abwesenheit. Er war mit dem Tode der Kritik innerhalb der Familie entrückt“, erinnert sich der Ebert-Enkel aus Deutschland West. Er sei sakrosankt gewesen. „Ich kann mich erinnern, im Hause meiner Großmutter hing ein lebensgroßes Porträt von ihm mit der schwarz-rot-goldenen Fahne im Rahmen“, erzählt Jaenecke weiter. Er habe das immer sehr bewundert und hätte seinen Großvater gerne mal kennengelernt.

Spaltung der Sozialdemokratie trennte Ebert-Familie

Von den fünf Kindern Eberts haben den ersten Weltkrieg nur Friedrich, Karl und Amalie überlebt. In den Lebensläufen der Söhne spiegelt sich in tragischer Weise die Spaltung der Sozialdemokratie nach der Teilung Deutschlands wider. „Das Verhältnis war kritisch und zum Teil feindlich“, gibt Jaenecke zu. Die Famile sei durch die Ost-West-Spaltung und den kalten Krieg zerrissen worden.

Friedrich Ebert Junior war in der DDR eine Größe: Bürgermeister von Ost-Berlin, Mitglied des ZK und stellvertretender Staatsratsvorsitzender. An seinem Sarg hielt Staats- und Parteichef Honecker die Ehrenwache. Abschied von der klassischen SPD hatte Friedrich Ebert Junior 1946 nach der Zwangsvereinigung von SPD und KPD genommen. Historische Fehlentwicklungen wie in der Weimarer Republik und im Faschismus meinte er nur durch eine Vereinigung der Arbeiterklasse verhindern zu können. Für diesen Richtungswechsel hatten seine Mutter Louise und sein Bruder Karl, SPD-Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg, kein Verständnis. „Das war natürlich der Vorwurf der Spaltung der sozialdemokratischen Partei“, erklärt Jaenecke. Der Eintritt der SPD-Ost und die SED seien Hochverrat für westliche Sozialdemokraten gewesen.

„Dort ist mir in Erinnerung, wie mein Onkel, Onkel Karl, ganz vehement gegen die Vereinigung von SPD und KPD aufgetreten ist“, erinnert sich Georg Ebert an die Zeit von damals aus der ostdeutschen Sichtweise. Das habe schließlich zu einem fast völligen Abbruch der Beziehungen zwischen den beiden Familien geführt.

Reichspräsident Ebert fiel in der DDR in Ungnade

Hinzu kam, dass Reichspräsident Ebert in der DDR-Geschichtsschreibung zur Unperson wurde. „Er wurde als Arbeiterverräter charakterisiert, weil er die Aufstände im Verlaufe der Novemberrevolution mit brutaler Gewalt niederschlagen ließ“, berichtet Georg Ebert.

Als Peter Fechter im August 1962 bei einem Fluchtversuch an der Mauer in Berlin angeschossen wurde und verblutete, war der Reporter Jaenecke so empört, dass er in der Quick einen „Offenen Brief “ an seinen Onkel Ebert Junior schrieb. Ein letzter Brief, in dem er allen weiteren Kontakte abbricht.

Auf der 140-Jahrfeier der SPD wurde Friedrich Ebert die verdiente Ehre zu Teil. „Und ich kann ihnen hier nicht allen namentlich die Ehre erweisen. Aber ich will schon Ferdinand Lasalle und August Bebel nennen. Gewiss und ohne jeden falschen Scham auch Karl Marx und Rosa Luxemburg, Friedrich Ebert und den unbeugsamen Otto Wels“, ehrte Bundeskanzler Gerhard Schröder die Genossen von damals.

Agenda 2010: Die Eberts sind verschiedener Meinung

Der Enkel Ost ist nach wie vor politisch engagiert und hält als PDS-Mitglied nicht viel von der Reformagenda 2010. „Die Art und Weise, wie diese Reformen angegangen werden mit der einseitigen Belastung der ärmeren Schichten der Bevölkerung, das ist für mich unverständlich und nicht akzeptabel“, bemängelt Georg Ebert. Der Enkel West unterstützt dagegen das Reformprojekt. „Ich begrüße die Reformagenda. Ich finde es dringend notwendig, dass die Partei sich reformiert, dass die deutsche Politik sich reformiert, dass sich Deutschland reformiert“, meint Heinrich Jaenecke. Die sozialdemokratische Partei dürfe jedoch nicht vergessen, woher sie komme und für wen sie da sein wolle.

Ebertfamilie geht auf Versöhnungskurs

Im Ruhestand und über zehn Jahre nach der Einheit beginnt das Eis zwischen den Ebert-Familien Ost und West zu schmelzen. Der Journalist schickt seinem Cousin hin und wieder Artikel und der Professor einen Teil seiner Lebenserinnerungen. Eine sozialdemokratische Familien-Saga mit Glanz und Erfolg, aber auch Brüchen und Bitterkeit.

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