Roma-Festival in Prag

Noch bis zum Samstag findet in Prag das 5. Welt-Roma-Festival „Khamoro“ („Sonne“) statt: Musiker aus Deutschland, Kasachstan und den Niederlanden haben sich in der Stadt versammelt. Auch in Ausstellungen, Filmen und Seminaren soll die Lage der Volksgruppe thematisiert werden. Über die Situation der Roma in Tschechien berichtet ARD-Korrespondent Georg Schmolz.

Statistisch gibt es in Tschechien nur knapp 12.000 Roma. So viele haben sich bei der letzten Volkszählung 2001 in Tschechien zur Roma-Minderheit bekannt. Die tatsächliche Zahl der Roma, die heute in der Tschechischen Republik leben, liegt aber vermutlich weit höher: Geschätzt zwischen 100.000 und 250.000, das sind zwischen ein und vier Prozent der Gesamtbevölkerung.

Offensichtlich haben viele Roma Furcht vor Diskriminierung und bekennen sich deshalb lieber zur tschechischen Nationalität. Anders lässt sich die numerische Diskrepanz zwischen Statistik und Realität nicht erklären und die Volkszählung beruht auf der persönlichen Erklärung der Befragten.

Forderung nach Emanzipation

Tatsächlich gibt es derzeit eine Vielzahl von Roma-Vereinigungen, aber keine, die die Interessen der Roma als Dachorganisation in Tschechien vertritt. So fordert der Vorsitzende der Roma-Vereinigung „Dscheno“ („Mensch“), Ivan Vesely, mehr Stolz von den Roma. Und: sie sollten aktiv gegen die Diskriminierung vorgehen: „Der Diskriminierte muss selber entschlossen sein, seine Interessen zu verteidigen, wenn er wirklich eine gleichberechtigte Stellung erreichen und nicht mehr diskriminiert werden will. Er kann sich nicht damit zufrieden geben, ein Objekt karitativer Tätigkeit zu sein. Er muss sich emanzipieren, sich selbstbewusst verhalten und aufhören, sich für seine Verschiedenheit zu schämen, sondern umgekehrt stolz darauf sein.“

Auch der bisher erste orthodoxe Roma-Priester in der Tschechischen Republik, David Dudas, hofft, dass die Roma aktiver werden: „Ich würde den Roma vor allem wünschen, dass sie eine gewisse Passivität verlieren, eine allgemeine Passivität, damit sich alle Roma vereinen. Denn in der Einheit liegt die Kraft.“

„Mauer von Usti“ erregte die Gemüter

Doch wie ist das Verhältnis zwischen Tschechen und Roma? Aufsehen erregte „die Mauer von Usti“ vor einigen Jahren: Die Stadtverwaltung im nordböhmischen Usti nad Labem errichtete mitten auf der Straße einen Zaun. Damit sollten die in der Maticni-Straße lebenden Tschechen vor ihren Roma-Nachbarn auf der anderen Straßenseite „geschützt“ werden. Nach Protesten aus dem In- und Ausland wurde der Zaun wieder abgebaut. Doch es gibt auch Vorurteile gegen die Roma im Ausland: Britische Immigrationsbehörden führten im vergangenen Jahr wiederholt Kontrollen auf dem Prager Flughafen durch. Zahlreichen Roma wurde dabei die Ausreise nach Großbritannien verboten.

Regierung startete Anti-Rassismus-Kampagnen

Auf der anderen Seite der Zwischenbilanz: Die tschechische Regierung und der Menschenrechtsbeauftragte bemühen sich mit unterschiedlichen Programmen, die Roma besser zu integrieren: Anti-Rassismus-Kampagnen sowie Roma-Assistenten und so genannte Mediatoren. An den drängendsten Problemen der Arbeitslosigkeit, der mangelnden Ausbildungsmöglichkeiten hat sich jedoch nichts Grundlegendes verändert. Dazu kommt eine gewisse Ghettoisierung beziehungsweise Slumbildung.

Problem: Mangelnde Schulbildung

Ein wichtiger Grund für die hohe Arbeitslosigkeit unter den Roma ist in der mangelnden Schulbildung zu suchen. In den allermeisten Fällen werden Roma-Kinder in der Tschechischen Republik auf Sonderschulen geschickt, da sie mangels Sprachkenntnissen und auf Grund eines anderen Umfeldes die Aufnahme in eine „normale“ Grundschule nicht schaffen. Die Grundschule in Predlice, einem Vorstadtbezirk des nordböhmischen Usti nad Labem bemüht sich, diesem Zustand gezielt entgegenzuwirken, und zwar durch den Einsatz von Roma-Assistenten, die zwischen den tschechischen Lehrern und den Roma-Kindern vermitteln. Für die Kinder übernehmen die Assistenten dann eine gewisse Vorbild-Funktion.

Nach Meinung der Regierung sind es oft auch die Eltern, die es angeblich besser finden, wenn ihre Kinder in einem „verwandten“ Umfeld zur Schule gehen. Doch darüber streiten die Experten. In einem Punkt sind sie sich allerdings einig: Die Rechtsprechung sei die beste Anti-Rassismus-Kampagne, mit anderen Worten: Wer jemanden diskriminiert, gehört vor ein Gericht.

Zusammenarbeit mit den Niederlanden

Und nicht zuletzt hilft auch internationale Zusammenarbeit: Die niederländische Stadt Bussum hat selbst Erfahrungen mit der Integration der Roma gemacht und gibt diese jetzt weiter. Die Stadt initiiert und die niederländische Regierung teilfinanziert im mährischen Valasske Mezirici ein Berufsprojekt: 24 Roma werden ab September dieses Jahres in drei eigens hierfür eingerichteten Klassen eine Berufsausbildung absolvieren: zum Koch, Kellner oder Bauarbeiter. Der theoretische Teil der Ausbildung soll in bestehenden Schulen sowie in den Räumlichkeiten eines geplanten Roma-Zentrums stattfinden, für das Valasske Mezirici auch selbst sorgen muss. Die Praxis-Ausbildung übernehmen dann entsprechende Unternehmen in der Stadt.

Das internationale Roma-Festival Khamoro in Prag soll helfen, aus dem Ghetto herauszukommen. Und damit ist es auch ein Versuch, dem Dialog einen positiven Impuls zu verleihen.

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