Rückmeldung: Was haben die Hartz-Reformen bisher gebracht?

Was ist nach der Arbeit der so genannten Hartz-Kommission besonders vom Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement mit Energie vorangetrieben worden? Die Stichworte im Raumschiff der Politik sind dazu zum Beispiel die Mini-Jobs, bei denen man steuerfrei bis zu 400 Euro verdienen kann, die sogenannte Personalserviceagentur, um die Menschen schnell in Arbeit zu vermitteln und die Ich AG, eine sehr erleichterte Form, sich selbständig zu machen. Wie klappt das alles bis jetzt? Robin Lautenbach und Christian Gräff besteigen das Raumschiff Politik und nähern sich dem Planeten Erde.

Unendliche Aufgaben und Herausforderungen warten. Millionen von Arbeitslosen bedrohen die Sozialsysteme der Erde. Commander Clement und seine Crew überschreiten die alten Grenzen des Beschäftigungsmangels. An Bord sind die neuen Hartz-Waffen gegen die enormen Gefahren der Arbeitslosigkeit.

Waffe Nr. 1 – die „Ich-AG“ : Diese „Ich-AG“ heißt Christian Lowsky, ist Dachdecker und ist auf dem Weg nach oben. Der Mann hinter ihm ist auch eine „Ich-AG“ – es ist sein Bruder Rick Lowsky. Er ist ebenfalls Dachdecker.

Christian Lowsky, „Ich-AG“, Dachdecker: „Wäre die Ich-AG nicht gewesen, hätte ich weiterhin arbeitslos sein müssen. Und so kann ich Aufträge entgegennehmen, arbeite in meinem alten Beruf weiter und kann durch das Gewerbe mit dem Trockenbau auch Trockenbauarbeiten machen. Ich bin rundum zufrieden.“

Und besser als Schwarzarbeit. Die Lowsky´schen „Ich-AGs“ sind pro forma selbständig, arbeiten hier als Subunternehmer einer Dachdeckerei. Drei Jahre zahlt ihnen das Arbeitsamt Zuschüsse von anfangs 600 Euro monatlich. Bei ihnen läuft’s gut. Sie haben Aufträge bis weit ins Frühjahr. Ist die „Ich-AG“ also die Waffe gegen Arbeitslosigkeit?

Rick Lowsky, Dachdecker, „Ich-AG“: „Ich denke, dass das eine Verschiebung der Arbeitslosen ist. Das ist Schönrederei.“

Und doch: 43.000 „Ich-AGs“ gibt es schon. Und auch die Lowskys wollen sich irgendwann richtig selbständig machen und dann selbst Leute einstellen.

Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit betreten die Männer unbekanntes Terrain. Neue Herausforderungen warten. Ihre Antwort darauf lautet: Die Personalserviceagentur.

Und so soll es gehen: Diese Schlosser und Elektriker hat der brandenburgische Hersteller von Windkraftanlagen „Repower“ bei einer Personalserviceagentur ausgeliehen. Kurzfristig abrufbar und günstiger als bei jedem anderen Leiharbeitsunternehmen. Denn die verleihende Agentur erhält für jeden Arbeitslosen, den sie fest anstellt, 9 Monate lang Geld vom Arbeitsamt, und kann die Leute so billiger anbieten.

Gutmundt Ertel, Repower AG: „Die PSA ist für uns schon das günstigste Angebot gegenüber einer Zeitarbeitsfirma. Bei einer Zeitarbeitsfirma würden wir im Schnitt zwischen 20 und 30 Prozent mehr bezahlen.“

Trotz 20 Prozent Arbeitslosigkeit in der Region kann die Agentur „ZAP“ die Nachfrage der Firmen kaum befriedigen. Über den Verleih sollen möglichst viele Arbeitslose letztendlich festangestellt werden. Die Lobby der Zeitarbeitsfirmen aber greift das Konzept als staatlich subventioniertes Lohndumping an.

Volker Enkert, Bundesverband Zeitarbeit: „Eigentlich sollten diese Zuschüsse zur Qualifizierung der Mitarbeiter benutzt werden, aber die Betreiber legen sie halt auf die Preise um, und das macht uns große Schwierigkeiten.“

Der Erfolg, sagt die „ZAP“, rechtfertigt die staatliche Förderung. Doch nicht immer funktionieren die neuen Waffen so gut.

So hat die holländische Firma Maatwerk in Berlin-Brandenburg zur eigenen Überraschung den Zuschlag für mehr als 60 Prozent der ausgeschriebenen PSA erhalten und ist mit der Aufgabe überfordert. Nur die Hälfte der Sollzahl an Arbeitslosen ist bisher eingestellt, die sitzen jetzt im Bewerbungstraining. Doch kein einziger ist bisher an eine Firma verliehen. „Maatwerk“ hat keine Erfahrung mit Zeit- und Leiharbeit:

Gabriele Grassmann, Maatwerk: „Ziel ist, dass – ich gebe mal eine Zeitschiene von zwei Monaten vor – dann Maatwerk als Zeitarbeitsfirma auch bekannt ist. Es ist einfach momentan so, dass uns noch keiner so richtig kennt.“

Die Absicht, bundesweit 500.000 Arbeitslose über PSA zu verleihen und letztendlich zu vermitteln, stammt wohl aus einer anderen Galaxie. Inzwischen gilt als Jahresziel 50.000. Tatsächlich erreicht hat man bisher nur 6.500.

Filmausschnitt: „Commander, warum hat es nicht geklappt“?

Wolfgang Clement, SPD, Wirtschaftsminister: „Damit bin ich noch nicht zufrieden, keineswegs zufrieden. Der Vorstand der Nürnberger Bundesanstalt sicher auch nicht. Wir haben erst relativ wenig Menschen, Arbeitssuchende bei den PSA, und die Vermittlung aus den PSA ist auch besonders schwierig“.

Was kann der Commander also sonst noch tun?

Filmausschnitt: „So etwas kriegt man ja nur einmal. Das ist ein Geschenk der obersten Raumbehörde.“

Ein Geschenk der obersten Arbeitsbehörde ist der Minijob. Aushilfskellnerin Jaqueline Thisius ist Minijobberin. Sie darf 400 Euro im Monat steuer- und abgabenfrei verdienen, der Arbeitgeber bezahlt pauschal 25 Prozent. Zwischen 400 und 800 Euro steigen die Abgaben des Arbeitnehmers langsam an.

Minijobs braucht man überall. Nico Kleffel ist Student und jobbt auf der Tankstelle. Zufrieden auch seine Chefin, die ihre vier Minijobber dann ruft, wenn sie gebraucht werden.

Silke Rosenow, Tankstellen-Pächterin: „Eine Tankstelle ist ja auch ein Saisongeschäft. Und wenn jetzt gerade ein Sommerloch ist, bzw. wenn ein Sommerloch wear, und man kommt man jetzt wieder in eine Zeit, in der mehr Umsatz ist, dann kann man eher auf die Minijobs zurückgreifen, als dass man überlegt, jetzt müsste man eigentlich jemand fest anstellen.“

Wie flexibel das Instrument Minijob ist, zeigt Jaqueline Thisius. Sie hat ihren Hauptjob im Berliner „Hotel Estrel“ und „minijobbt“ beim „Estrel“-Kongressservice im gleichen Haus.

Jacqueline Thisius, Minijob: „Ich arbeite hier fest im Estrel und ich könnte im Veranstaltungsbereich als Aushilfe den Minijob ausführen. und wenn ich Zeit habe, dann frage ich nach.“

Der Bedarf ist offensichtlich, inzwischen gibt es schon über 900.000 gemeldete Minijobs. Wie viele davon reguläre Arbeit verhindern und wie viele davon aus der Schwarzarbeit kommen, das weiß keiner.

Letztendlich ist Commander Clements Mission auch von fremden Mächten und Einflüssen abhängig.

Wolfgang Clement, SPD, Bundeswirtschaftsminister: „Ohne Wachstum ist der Arbeitsmarkt nicht wirklich in eine bessere Situation zu bringen als heute.“

Der Commander weiß: Die Arbeitslosigkeit ist so schwierig zu bekämpfen wie Außerirdische. Ein Misserfolg wäre gefährlich.

 

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