Deutsche Ermittlungen in Bagram?

Die Affäre um die Entführung des Deutschen al Masri führt zu überraschenden Erkenntnissen: Deutsche Beamte und Soldaten wollten nach Recherchen von tagesschau.de und des ARD-Magazins Kontraste im US-Foltergefängnis Bagram gegen Terrorverdächtige ermitteln. Zumindest ein deutscher Offizier kennt das dortige Gefängnis im Detail.

Von Alexander Richter, tagesschau.de

Für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch besteht kein Zweifel: Der US-Stützpunkt Bagram nahe der afghanischen Hauptstadt Kabul beherbergte ein Foltergefängnis. Mehrfach berichtete die Organisation, Menschen würden unter Terrorverdacht widerrechtlich in Bagram festgehalten, in der Haft geschlagen, gequält und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Trotz dieser Berichte hatten nach ARD-Recherchen deutsche Stellen keine Bedenken, sich das Recht zu sichern, in Bagram ermitteln zu dürfen und auf dort gewonnene Erkenntnisse zurückgreifen zu können.

Die Information geht aus einem Schreiben des Bundeskriminalamtes (BKA) vom Oktober 2004 hervor. Darin heißt es, dass der in Kabul ansässige Verbindungsbeamte des BKA gemeinsam mit dem Nachrichtenwesen der Bundeswehr im Jahr 2003 eine Genehmigung erwirkt habe, „in Bagram inhaftierte terrorverdächtige Personen wie auch deren Vernehmer im begründeten Einzelfall unmittelbar befragen zu können“. Weiter ist zu lesen: „Auf dem Stützpunkt Bagram nimmt ein deutscher Isaf-Stabsoffizier Verbindungsaufgaben […] wahr.“

Indirekte Bestätigung im Untersuchungsausschuss

Eine indirekte Bestätigung für das Papier gab es in der ersten öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses, der auch die Verschleppung des Deutschen Khaled al Masri untersucht. Der FDP-Abgeordnete Max Stadler fragte den ermittelnden Münchner Staatsanwalt Martin Hofmann, ob ihm bekannt sei, dass es in Afghanistan einen deutschen Verbindungsoffizier gebe, der das Recht habe, alle Gefängnisse im Land zu betreten? Hofmann bejahte das.

Verbindungsoffizier will nichts sagen

Nach Recherchen von tagesschau.de und des ARD-Magazins Kontraste handelte es sich bei diesem Verbindungsoffizier um einen Oberstleutnant, der mittlerweile im Verteidigungsministerium seinen Dienst versieht. Gegenüber tagesschau.de verweigerte der Offizier im Führungsstab eine Stellungnahme zu seiner Tätigkeit in Afghanistan.

Offizier kennt Örtlichkeiten in Bagram

Nach Informationen von Kontraste wurde der Mann aber vor anderthalb Jahren bereits vernommen, ob er Erkenntnisse zum Entführungsfall al Masri hat. Demnach bestreitet der Oberstleutnant, dass al Masri auf dem Stützpunkt Bagram festgehalten worden sein kann. Eine von al Masri angefertigte Skizze seines Gefängnisses treffe nicht auf die Luftwaffenbasis Bagram zu. Der Offizier könne das mit Sicherheit sagen, da die Umgebung um das Gefängnis auf dem Stützpunkt ihm bekannt sei.

Behörden verweigern Stellungnahmen

Das Bundeskriminalamt wollte zu den Recherchen von tagesschau.de und Kontraste keine Stellungnahme abgeben. Die Behörde wolle der Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht vorgreifen, teilte das BKA mit. Auch der Bundesnachrichtendienst, der mit dem Nachrichtenwesen der Bundeswehr kooperiert, lehnte eine Stellungnahme ab. Das Bundesverteidigungsministerium teilte immerhin mit: “ Deutschen Soldaten ist die Vernehmung von terrorverdächtigen Personen in Bagram nicht erlaubt.“

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