Kunden zur Kürzung von Gasrechnungen aufgerufen

Angesichts der zum Teil enormen Unterschiede bei den Gaspreisen in Deutschland haben Verbraucherschützer an die Kunden appelliert, ihre Rechnungen gegebenenfalls eigenmächtig zu kürzen. Die „riesigen“ Preisdifferenzen zeigten, dass die Versorger „den fehlenden Wettbewerb zu überhöhten Preissteigerungen missbraucht haben“, erklärte der Bund der Energieverbraucher.

Verbraucherschützer warfen auch Länderbehörden vor, die Versorger nicht genügend an die Zügel genommen zu haben. „Viele Landeskartellbehörden haben einen langen Winterschlaf gehalten“, sagte der Experte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv), Holger Krawinkel.

Kartellamt stellte erstmals Preisübersicht ins Internet

Kartellamtschef Ulf Böge forderte Aufklärung über die enormen Differenzen beim Gaspreis. „Ich denke, dass eine Reaktion nötig werden wird“, sagte er der Hörfunkagentur dpa/Rufa. „Das bedarf sicher der Aufklärung. Wir wollen das mehr Transparenz in den Markt kommt.“

Das Bundeskartellamt hatte am Mittwoch erstmals eine bundesweite Übersicht über die Gaspreise ins Internet gestellt. Daraus geht hervor, dass die Preise je nach Region und Stadt stark variieren. So verlangen etwa die Stadtwerke im niedersächsischen Soltau für 7000 Kilowattstunden Gas im Jahr 381 Euro, die baden-württembergische Gasversorgung Blaubeuren berechnet dagegen für die gleiche Gasmenge 605,86 Euro und damit 59 Prozent mehr. Der Bund der Energieverbraucher hob nun hervor, dass die Verbraucher bei einer eigenmächtigen Rechnungskürzung nicht fürchten müssen, dass ihnen der Gashahn abgedreht wird. Den Unternehmen sei es durch eine neue Verordnung verboten, in einem solchen Fall die Versorgung einzustellen oder damit auch nur zu drohen.

Der Bund der Energieverbraucher riet den Kunden, den Gasversorger vorab schriftlich über eine geplante Kürzung der Rechnung zu unterrichten. Zugleich hob die Organisation hervor, dass die Unternehmer keine Chance hätten, eigenmächtig gekürzte Rechnungsbeträge vor Gericht einzuklagen, solange sie ihre Preiskalkulation nicht offen legten. Der Verband verwies dazu auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe, das eine entsprechende Zahlungsklage abgelehnt habe.

„Die Hälfte der 50 teuersten Anbieter ist in Sachsen“

Der vzbv-Experte Krawinkel kritisierte unterdessen, dass es besonders die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen versäumt hätten, gegen überhöhte Gaspreise vorzugehen. „Etwa die Hälfte der 50 teuersten Anbieter finden sich in Sachsen, ein weiteres Viertel in Baden-Württemberg“, sagte Krawinkel dem Berliner „Tagesspiegel“. Der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber kündigte unterdessen an, die Preise von 102 bayerischen Gasversorgern nach „harten Kriterien“ kartellrechtlich prüfen zu lassen. Unabhängig von dem bundesweiten Vergleich durch das Bundeskartellamt stehe diese Prüfung derzeit ohnehin an, sagte der CSU-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“.

Die CDU-Energiepolitikerin Katherina Reiche lobte die Aktion des Kartellamts als „ersten wichtigen Weg in die Liberalisierung“. Als Folge rechnet die Vizevorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit sinkenden Preisen. Wenn die Verbraucher nun ihre eigenen Gaspreise mit denen anderer Regionen vergleichen können, werde sich ein „natürlicher Druck“ auf die Versorger wie auch auf die Kommunen einstellen, die bei den Konzessionsabgaben zuviel Geld einnähmen und damit die Gaspreise hoch hielten, sagte die CDU-Politikerin dem „Tagesspiegel“.

Die vzbv-Vorsitzende Edda Müller forderte, den Energiekonzernen die Verteilernetze zu entziehen und für Wettbewerber zu öffnen. Es gebe noch immer „eine massive Beherrschung des Marktes durch die großen Konzerne“, was durch die großen Preisunterschiede belegt werde, kritisierte sie in der „Bild“-Zeitung. Die EU-Kommission will am Mittwoch einen umfassenden Reformvorschlag für die europäische Energiewirtschaft vorlegen. Vorgesehen ist darin laut Presseberichten unter anderem, die Strom- und Gaskonzerne zum Verkauf ihrer Leitungsnetze zu verpflichten.

E.ON weist Kritik der Verbraucherschützer scharf zurück

Der E.ON-Konzern reagierte mit ungewöhnlich scharfen Worten auf die Kritik der Verbraucherschützer. „Es ist reine Polemik, wenn selbst ernannte Energieexperten bewusst mit Fehlinformationen Stimmung gegen uns machen. Wir sind nicht dafür verantwortlich, wenn das Gas von Stadtwerk A teurer ist als das Gas von Stadtwerk B“, sagte ein E.ON-Sprecher. Vor allem die unterschiedlichen Kostenstrukturen bei den Stadtwerken seien ausschlaggebend für den Preis. E.ON Ruhrgas ist der führende deutsche Gaskonzern und beliefert als Großhändler andere Versorger, darunter zahlreiche Stadtwerke.

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