Nähen für den „Lieben Führer“

Im tschechischen Nachod arbeiten Nordkoreanerinnen in einem Werk für Autozubehör. Das Geld schicken sie in die Heimat. Es geht jedoch nicht an ihre Familien, sondern an die Staatsführung in Pjöngjang. Menschenrechtler beklagen, die Frauen würden regelrecht überwacht.

Von Peter Hornung, ARD-Hörfunkstudio Prag

Ein bisschen fallen sie noch auf, hier im ostböhmischen Nachod an der Grenze zu Polen: Drei, vier junge Mädchen, Asiatinnen. Sie sind aus Korea, aus Nordkorea. Drei Jahre seien sie schon da, sagen sie. Sie arbeiten in der Snezka- Fabrik. „Man näht hier Kopfstützen, ich denke, das hier ist gerade für den Ford Focus“, erklärt Firmenchef Miloslav Cermák. „Hier in Nachod arbeiten mehr als 500 Menschen, konkret in dieser Halle sind in jeder Schicht 120 Arbeiterinnen.

„Sie machen die Arbeit einfach besser“

Frauen aus der Ukraine arbeiten hier, Moldawierinnen, Mongolinnen, Vietnamesinnen und eben Nordkoreanerinnen. Mit ihnen ist Firmenchef Cermák besonders zufrieden. 82 von ihnen hat er eingestellt, alle bezahlt nach tschechischen Tariflohn. „Sie haben geschickte Hände, und sie sind fleißig“, sagt Cermák. „Es ist stimmt, dass sie die Arbeit von Grund auf einfach besser machen. Wenn die Norm bei 200 Kopfstützen liegt, dann schaffen sie in der Regel mehr.“

Seine Firma Snezka präsentiert sich als Musterbetrieb. Seit Jahren ist das Unternehmen auf Auszeichnungen fast abonniert, es besitzt Zertifikate vom deutschen TÜV und Cermák selbst war schon zweimal Manager des Jahres in Tschechien. Seit 1998 hat er den Umsatz des Werks verzehnfacht, auf über 30 Millionen Euro. „Unsere Teile finden sie heute schon fast in allen Typen. Ford Focus, Ford Mondeo, Opel Vectra, Astra, Zafira, Renault, Mitsubishi“, sagt Cermák.

Persönliche Freiheiten der Frauen eingeschränkt

Die Prager Menschenrechtlerin Marie Jelinkova kennt das Unternehmen. Sie war dort schon mehrmals – wegen der Nordkoreanerinnen. Die persönlichen Freiheiten der Frauen seien eingeschränkt, sagt Jelinkova, nicht durch das tschechische Unternehmen, sondern durch den nordkoreanischen Staat. Ein Dolmetscher der nordkoreanischen Botschaft in Prag sei für die Überwachung der Arbeiterinnen zuständig. „Alles läuft über ihn. Wenn die Mädchen was brauchen, zu einem Amt gehen müssen, zum Arzt, er kümmert sich um alles“, sagt Jelinkova. „Ich habe mit ihm telefoniert, aber er und auch die Leitung von Snezka sagen, alles sei wunderbar.“

Dass alles wunderbar sei, bezweifeln auch die tschechischen Behörden. Offenbar dürften die Nordkoreanerinnen den überwiegenden Teil ihres Lohnes nicht selbst behalten, sagt Marie Masařykova vom Prager Innenministerium: „Nach Polizei-Informationen handelt es sich um 70 Prozent des Lohnes, die diese Arbeiterinnen auf ein einziges Konto abführen“, sagt Masařykova. „Die Kontonummer ist der Polizei auch bekannt, aber die Arbeiterinnen behaupten, dass sie alles freiwillig machen, dass sie nicht gezwungen werden, dass sie wissen, was mit ihrem Geld weiter passiert. Ich kann jedoch nicht sagen, wem dieses Konto gehört.“

Das Geld fließt an Nordkoreas Führung

Das Geld komme der Staatsführung in Pjöngjang zugute, „zur Unterstützung der sozialistischen Revolution“, das sagte zumindest ein nordkoreanischer Überläufer, der früher als Diplomat in Prag war. Die Arbeiterinnen selbst allerdings würden das in Vernehmungen nicht bestätigen, so die Sprecherin des tschechischen Innenministeriums. „Die Arbeiterinnen aus Nordkorea haben behauptet, dass sie alles freiwillig machen. Dass sie das Geld ihren Familien abgeben und keinesfalls ausgebeutet werden“, sagt Masařykova. „In den meisten Fällen haben sie aber Angst gezeigt, getrennt voneinander zu reden. Es war immer ein Nordkoreaner dabei, ein Landsmann.“

Ein Strafverfahren konnte deshalb nicht eingeleitet werden, denn auch die Arbeitsgenehmigungen und die Visa der Frauen seien in Ordnung. Trotzdem bekommt das Unternehmen Snezka nun Druck – von Automobilherstellern. Die französische Firma Renault bestehe nun darauf, dass bei der Herstellung seiner Produkte keine Nordkoreanerinnen mehr eingesetzt werden. Und auch der Opel- Mutterkonzern General Motors, Ford und Volkswagen überprüfen ihre Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmen. Die Verträge mit den Nordkoreanerinnen laufen nach Angaben des Unternehmens Snezka noch bis längstens 2008, an eine Weiterbeschäftigung denke man derzeit nicht.

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