Mutmaßlicher Mörder Dinks geständig

Der mutmaßliche Mörder des armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink ist angeblich geständig. Das meldet der Nachrichtensender CNN-Türk unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft der Schwarzmeerstadt Samsun. Als Tatmotiv soll der junge Mann bereits in der ersten Vernehmung angegeben haben, dass Dink das türkische Volk beleidigt hätte.

Landesweite Fahndung

Der 17-jährige Ogun S. aus der nordtürkischen Stadt Trabzon war gestern im Haus eines Onkels von der Polizei festgenommen worden. Die Ermittler seien ihm nach einem Hinweis seines Vaters auf die Spur gekommen, teilte die Polizei mit. Das türkische Fernsehen hatte den ganzen Tag die von einer Überwachungskamera aufgenommenen Bilder des jungen Mannes gesendet, der den 52-jährigen Dink erschossen haben soll, und die Bevölkerung zu Hinweisen aufgefordert.

Tausende protestieren gegen Mordanschlag

Als Reaktion auf das Attentat waren tausende Menschen auf die Straße gegangen, um ihre Abscheu und Trauer über den Mord zum Ausdruck zu bringen. In Istanbul versammelten sich rund 2000 Menschen zu einer spontanen Kundgebung im Zentrum der Metropole. In der Hauptstadt Ankara folgten rund 700 Menschen einem Aufruf von Menschenrechtsgruppen und Gewerkschaften und gingen auf die Straße. Während der Kundgebung in Istanbul skandierten Sprechchöre immer wieder: „Wir sind alle Hrant Dink, wir sind alle Armenier“.

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Haftstrafe wegen „Beleidigung des Türkentums“

Dink hatte sich den Zorn nationalistischer Kreise zugezogen, weil er die Massaker an Armeniern während des Ersten Weltkriegs im damaligen Osmanischen Reich mehrfach als Völkermord bezeichnet hatte. Seine Äußerungen hatten dem 52-Jährigen eine Haftstrafe von sechs Monaten in der Türkei eingebracht. Das Urteil wegen „Beleidigung des Türkentums“ war im vergangenen Jahr vom obersten Gericht der Türkei bestätigt worden. Unter demselben Paragrafen wurde unlängst auch der türkische Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk angeklagt. Dink war wegen seines Engagements für die armenische Minderheit in der Türkei in Hamburg mit dem Henri-Nannen-Preis für die Pressefreiheit 2006 ausgezeichnet worden.

Erdogan: „Attentat richtet sich gegen uns alle“

Der Mord rief in der Türkei und in Europa Entsetzen hervor. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem „abscheulichen Attentat“, das „gegen uns alle als Nation, gegen unsere Einheit und unser Zusammenleben, gegen Frieden und Stabilität“ gerichtet gewesen sei. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft reagierte mit „Erschütterung“ auf die Nachricht von Dinks Ermordung. Das Auswärtige Amt erklärte, der Journalist habe stets seine „Sache mit anhaltendem Einsatz für Demokratie und Meinungsfreiheit verbunden und dabei große persönliche Risiken in Kauf genommen“. Die armenische Regierung äußerte sich „schockiert“ und forderte die türkische Regierung auf, alles zu unternehmen, um die Verantwortlichen für das Attentat zu finden.

Armenier-Genozid hoch sensibles Thema

Das Massaker an Armeniern ist ein politisch hoch sensibles Thema in der Türkei. Zwischen 1915 und 1917 waren nach armenischen Angaben mehr als 1,5 Millionen Armenier getötet worden. Die Türkei räumt zwar ein, dass Soldaten des Osmanischen Reiches zwischen 250.000 und 500.000 Armenier getötet hätten. Die Regierung in Ankara lehnt die Einstufung der Verbrechen als Völkermord jedoch ab. Zugleich macht sie geltend, dass Armenier und ihre russischen Verbündeten auch Massaker an Türken und Kurden verübt hätten.

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