Kopf-an-Kopf-Rennen der rechten Parteien erwartet

In Polen stehen die Zeichen auf Wahlkampf: Nachdem das Parlament gestern mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit für die Selbstauflösung gestimmt hatte, müssen nun binnen 45 Tagen Wahlen stattfinden. Experten erwarten ein Kopf-an-Kopf-Rennen der rechten Parteien.

Von Jan Pallokat, ARD-Hörfunkstudio Warschau

In Polen wird voraussichtlich in der zweiten Oktoberhälfte ein neues Parlament gewählt. Nachdem die Volksvertretung gestern ihre Selbstauflösung beschloss, hat nun Präsident Lech Kaczynski die Gelegenheit, Neuwahlen festzusetzen – ein Schritt, den er zuletzt als wünschenswert bezeichnete. Er selbst hatte zuvor den 21. Oktober als Wahltermin ins Spiel gebracht.

Derweil bedeuten Neuwahlen keineswegs das automatische Aus für Kaczynski und seine rechtsnationale Partei „Recht und Gerechtigkeit“ PiS. Befanden sich die Umfragewerte für PiS während der nicht enden wollenden Regierungskrise im freien Fall, so gelang es Kaczynski mit seiner Kehrtwende hin zu Neuwahlen, die Werte zu stabilisieren. Viele Polit-Experten wie Janina Paradowska glauben, dass die Kaczynskis noch einmal die Chance haben, das Ruder herum zu reißen: „Jetzt ist der Moment, in dem diese Partei die Wahlen tatsächlich noch einmal gewinnen kann.“ Zumal die Partei ein Thema hat, nämlich den Kampf gegen die angebliche omnipräsente Korruption, die sie nun forsch zur Abstimmung stellen kann.

Linksbündnis ohne klares Profil

Die Opposition muss sich hingegen erst sammeln – was insbesondere für die neu gegründete Linksallianz LiD gilt – ein buntes Bündnis von Altkommunisten bis zu liberalen Kaczynski-Gegnern. Die LiD hat noch nicht einmal die Führungsmannschaft komplett beisammen, geschweige denn ein klares Profil. Gut zwei Jahre nach der Abwahl der Post-Kommunisten ist die Serie von Korruptionsskandalen, die sie hinterließ, vielen Polen noch gut in Erinnerung: Viele dürften schon deshalb die Kaczynski-Partei wählen, weil diese am ehesten eine Rückkehr jener Politiker an die Macht nach so kurzer Zeit zu verhindern verspricht.

Beim großen politischen Konkurrenten Rechts der Mitte, der Bürgerplattform, sei das hingegen weniger klar, suggeriert Kaczynskis Chef-Wahlkämpfer Jacek Kurski: „Nach den Wahlen werden wir mit jedem koalieren können, außer mit der postkommunistischen SLD und ihrem Linksbündnis. Die Bürgerplattform hat es da besser, da sie auch mit der Linken zusammengehen kann, allerdings wäre dies für die Plattform eine folgenschwere historische Entscheidung, und ich denke, der konservative Teil würde sich abspalten.“

Kopf-an-Kopf-Rennen der Rechtsparteien

In der Tat stünde die Bürgerplattform wohl vor einer Zerreißprobe, sollte sie sich nach den Wahlen auf eine Allianz mit dem Linksbündnis um die Ex-Kommunisten einlassen: Sie selbst hat einen starken strikt antikommunistischen Flügel. Bislang hat die Plattform jede Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen – die nun allerdings nach Lage der Dinge als einzige Alternative zu einer Zusammenarbeit mit der Kaczynski-Partei entpuppen könnte. Gemessen an inhaltlichen Schnittmengen, sind eigentlich die Kaczynski-Partei und die Bürgerplattform die geborenen Partner: Dennoch bahnt sich schon jetzt ein Wahlkampf an, in dem sich gerade diese beiden Rechtsparteien heftig bekämpfen – in der Hoffung, im Kopf-An-Kopf-Rennen zu gewinnen und somit den Führungsanspruch für Polen erheben zu können.

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