Leterme wirft das Handtuch

Nach fast sechs Monaten der ergebnislosen Verhandlungen über eine neue Regierung in Belgien hat der designierte Ministerpräsident Yves Leterme aufgegeben. Er informierte am Samstag König Albert II. darüber, dass er mit seinem Auftrag zur Bildung einer Mitte-rechts-Regierung gescheitert sei.

„Das Land und seine Bürger brauchen eine starke und energische Regierung“, sagte Leterme. Weiterzuverhandeln wäre unredlich gewesen. „Ich bleibe dennoch von der Möglichkeit überzeugt, dass die nötigen Reformen gemacht werden können.“ Der Palast veröffentlichte eine kurze Mitteilung nach dem Treffen: „Herr Leterme hat gebeten, von seinem Auftrag entbunden zu werden. Der König hat diese Bitte akzeptiert.“

Vorschläge für Reformen eingefordert

Leterme hatte von den zerstrittenen Koalitionspartnern eine Entscheidung gefordert. Die vier niederländischsprachigen und frankophonen Parteien der Christdemokraten und Liberalen sollten seine neuen Vorschläge für eine Reform der staatlichen Institutionen unterstützen. Andernfalls werde er den Auftrag von König Albert II. zur Regierungsbildung abgeben.

Letermes CDV war aus den Parlamentswahlen vom 10. Juni als stärkste politische Kraft hervorgegangen. Die frankophonen Liberalen wurden die stärkste Partei in Brüssel und der Wallonie im Süden. Beteiligen wollten sich an der Koalition auch die flämischen Liberalen und die frankophonen Christdemokraten. Die Bildung einer Regierung scheiterte aber an Differenzen zwischen den niederländischsprachigen und den frankophonen Parteien – ein beispielloser Vorgang in der Geschichte des Königreichs. Die alte Regierung von Ministerpräsident Guy Verhofstadt führt seither weiter die Geschäfte.

Teilung eines Wahlkreises verschäft den Streit

Im Mittelpunkt des Streits steht eine von den Flamen geforderte Staatsreform. Sie verlangen mehr Selbstbestimmung über die Finanzen und die Sozialsysteme ihrer prosperierenden Regionen. Die Vertreter der Wallonie lehnen das ab, weil dann weniger Geld in den wirtschaftlich schwächeren Süden des Landes fließen würde. Der Streit spitzte sich zuletzt Anfang November zu, als die flämische Mehrheit gegen den Willen der frankophonen Minderheit die Teilung des einzigen zweisprachigen Wahlkreises Belgien Brüssel-Halle-Vilvoorde durchsetzte.

Bereits zweiter Auftrag an Leterme

Leterme hatte bereits im August das Handtuch geworfen, doch hatte ihn der König einen Monat später erneut mit der Regierungsbildung beauftragt. Albert II. kann nun nach einer Pause Leterme abermals beauftragen oder einen anderen Politiker mit der Aufgabe betrauen. Angesichts der größer werdenden Kluft zwischen Flamen und frankophonen Belgiern halten manche im Land auch eine Spaltung des 1830 gegründeten Königreichs nicht mehr für ausgeschlossen.

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