Sechs Monate Haft für Menschenrechtlerin Keskin

Ein türkisches Gericht hat die Rechtsanwältin und Menschenrechtlerin Eren Keskin nach ihrer Kritik am Einfluss der Armee auf die türkische Politik zu sechs Monaten Haft verurteilt. Keskin war in Istanbul wegen Verletzung des umstrittenen Strafrechtsparagrafen 301 angeklagt, der Beleidigung des Türkentums und die Herabwürdigung staatlicher Institutionen in der Türkei unter Strafe stellt. Nach nur 15-minütiger Verhandlungszeit hatten die Richter das Urteil gesprochen.

Grund waren Äußerungen Keskins in einem Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ im Juni 2006: Damals sagte sie, das Militär bestimme in der Türkei nicht nur die Innen- und Außenpolitik, es trete auch als große Wirtschaftsmacht auf. Ihrer Ansicht nach gebe es eine „militärische Staatsstruktur“, die eine islamistische Gefahr im Land vorgaukele, um Ängste in der Bevölkerung zu schüren und die eigene Macht zu stärken.

Keskin: Keine Beleidung, sondern politische Kritik

Die Menschenrechtlerin verteidigte ihre Äußerungen. Diese seien nicht als Beleidigung, sondern als politische Kritik gedacht gewesen. Nach der Verhandlung sagte Keskin, das Verfahren zeige, wie sehr die Justiz an die Armee angebunden sei. Das Urteil habe schon vor der Verhandlung festgestanden. Die Trägerin des Aachener Friedenspreises kündigte an, in Berufung gehen zu wollen.

EU fordert Gesetzesänderung

Nach dem umstrittenen Artikel 301 wurden auch der Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk und der armenischstämmige Journalist Hrant Dink verurteilt. Dink war wenige Monate nach dem Richterspruch auf offener Straße erschossen worden.

Die EU verlangt von der Beitrittsbewerberin Türkei seit langem eine Änderung des Paragrafen 301. Mit Blick auf den Prozess gegen Keskin forderte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn die Türkei erneut auf, das Gesetz zu ändern. Der aktuellen Ausgabe des „Tagesspiegel“ sagte Rehn, Reformen hin zu mehr Meinungsfreiheit seien in der Türkei „mehr als überfällig“. Der Paragraf müsse so geändert werden, dass er Staatsanwälte und Richter in der Türkei zur strikten Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichte.

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