„Zeit, neue Brücken zu bauen“

Der US-Präsidentschaftsbewerber Obama hat seine mit Spannung erwartete Rede vor der Berliner Siegessäule gehalten. „Ich bedanke mich bei den Bürgern Berlins und ich bedanke mich beim deutschen Volk“, sagte er zu Beginn seiner fast halbstündigen Ansprache. Zuvor war er von den nach Polizeiangaben rund 200.000 Zuhörern mit „Obama, Obama“-Rufen empfangen worden.

Obama warb für ein neues Verhältnis zwischen Europa und den USA. „Jetzt ist die Zeit gekommen, neue Brücken zu schlagen.“ Wahre Partnerschaft und Freundschaft bedeute, gemeinsam Lasten zu tragen. Obama sagte, Verbündete müssten aufeinander hören, voneinander lernen wollen und einander vertrauen. „Deshalb darf Amerika sich nicht einigeln.“

„Keinen besseren Partner als Europa“

Es gebe auf beiden Seiten des Atlantik Vorbehalte, sagte der demokratische Senator. Er forderte: „Amerikaner und Europäer werden mehr tun müssen.“ Dies sei der einzige Weg zum Schutz der Sicherheit und Fortentwicklung der Beziehung. „Amerika hat keinen besseren Partner als Europa“, sagte er. Er verwies auf den Mauerfall 1989. In Anspielung auf das transatlantische Verhältnis rief er aus, dass die Geschichte daran erinnere, „dass man Mauern einreißen kann“.

Obama erinnerte ausführlich an die Luftbrücke nach Berlin vor 60 Jahren. „Die größte und unwahrscheinlichste Rettungsaktion brachte den Menschen Hoffnung und Essen.“ Obama sagte: „Die Menschen von Berlin haben die Flamme der Hoffung am brennen gehalten – sie gaben nicht auf.“ Deutsche und Amerikaner hätten Vertrauen aufgebaut und zusammengearbeitet. Wo die Menschen zusammenständen, sei jedes Problem zu überwinden.

Unter dem Beifall der Zuhörer rief Obama, „Völker der Welt, schaut auf Berlin“, wo Deutsche und Amerikaner gelernt hätten, zusammenzuarbeiten und einander zu vertrauen. Er griff damit ein Zitat des früheren Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter auf, der während der Berlin-Blockade durch die Sowjets 1948 vor dem Reichstag die Welt zur Hilfe für die abgeschnittene Stadt aufgefordert hatte.

Besonderen Jubel erntete der 46-Jährige für seine Forderung nach Abschaffung der Nuklearwaffen und die Beendigung des Irakkrieges. Vage äußerte er sich zur Lastenteilung in Afghanistan. Die internationale Gemeinschaft müsse die Taliban besiegen und eine afghanische Nation aufbauen. Das könne Amerika nicht allein tun.

Andrang schon Stunden vorher

Schon Stunden zuvor hatte sich die Straße des 17. Juni mit Zuhörern gefüllt. Eine Stunde nach Einlassbeginn fanden sich um 17 Uhr bereits Zehntausende an der Siegessäule ein. An den Sicherheitskontrollen drängten sich zahlreiche Menschen.

Auf der Straße waren zwei Leinwände aufgebaut worden, auf denen die Rede verfolgt werden konnte. An Ständen wurden Barack-Obama-Devotionalien wie T-Shirts oder Anstecker verkauft. Mitglieder der „Democrats Abroad“, der Organisation der Demokratischen Partei für die rund sechs Millionen US-Bürger, die außerhalb der Vereinigten Staaten leben, warben zudem für die Registrierung zu den US-Präsidentschaftswahlen im November.

Für den Besuch des US-Senators in Berlin galten strenge Sicherheitsvorkehrungen.

McCain schaltet Berlin-Spots

Der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber John McCain kritisierte Obama für seine Rede in Berlin. „Ich würde es lieben, eine Rede in Deutschland zu halten“, sagte McCain in Columbus im US-Bundesstaat Ohio. „Eine politische Rede oder vielleicht eine Rede, die das deutsche Volk interessieren würde. Aber ich würde das viel lieber als Präsident der USA tun, statt als Kandidat für das Amt des Präsidenten.“ Er werde sich in Amerika auf die Fragen konzentrieren, über die sich Amerikaner Sorgen machten, während Obama im Ausland reise.

Am Tag von Obamas Berlin-Rede ließ McCain Wahlkampf-Spots ebenfalls in Berlin schalten – und zwar gleich dreimal. In Berlin in New Hampshire, in Berlin in Wisconsin und in Berlin in Pennsylvania. Anders als bei Obamas Auftritt im Original-Berlin konnte er so zwar kein Millionenpublikum erreichen. Aber er sicherte sich einen medialen Achtungserfolg.

Diese Berlins liegen in Bundesstaaten, in denen es bei der Novemberwahl sehr eng werden könnte. Für künftige Berlin-Werbung gibt es aber noch Reserven: In den Vereinigten Staaten sind zehn Berlins registriert, dazu vier West-, fünf Ost- und zwei Südberlins.

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