Der unbeugsame Herr Wu

Jahrelang sammelte Umweltschützer Wu Beweise dafür, dass chinesische Fabriken giftige Abwässer in den Taisee leiten. Es folgten seine Festnahme und drei Jahre Gefängnis – mit erfolterten Beweisen behauptet er. Seinen Kampf will er auch nach der Haft fortsetzen.

Von Petra Aldenrath, ARD-Hörfunkstudio Peking

Die Polizisten kamen am Abend. Sie traten die Tür ein, beschlagnahmten Computer und Dokumente und nahmen Umweltschützer Wu Lihong mit. Jahrelang hatte er auf die Verschmutzung des Taisees aufmerksam gemacht, dem drittgrößten Süßwassersee Chinas. Wu sammelte Beweise dafür, dass Fabriken giftiges Abwasser oft ungefiltert ins Wasser leiten. Dadurch starben Fische, Algen vermehrten sich, die Krebsrate bei der Bevölkerung stieg an.

Mit diesen Umweltschutzaktionen war Wu den Fabrikbesitzern ein Dorn im Auge. Kurz bevor er seine Beweise nach Peking bringen wollte, wurde er verhaftet. Eine abgekartete Sache, behauptet er, die Anklage auf Bestechung sei eine Farce gewesen: „Während der Untersuchung hat mir der lokale Polizeichef gesagt, dass einer der Fabrikbesitzer ihn gebeten habe, sich um mich zu kümmern. Sie haben mehrere Male Materialien zusammengestellt und mich gezwungen meinen Fingerabdruck darunter zu setzen. Sie haben meine Handschrift kopieren lassen und Beweise gefälscht.“

Zudem hätten die Beamten ihn gezwungen, ein Geständnis zu unterschreiben – unter Folter: „Sie haben mit Zigaretten meine Finger verbrannt. Sie haben meine Hände auf dem Rücken zusammengebunden und mich mit den Füßen nach oben aufgehängt. Dann haben sie meinen Kopf so lange gegen die Wand geschlagen, bis ich ohnmächtig geworden bin.“

Videoüberwachung und Einschüchterungen 

Nach drei Jahren Haft kam Wu aus dem Gefängnis raus. Ein freier Mann sei er aber nicht. Nicht nur seine Telefone würden abgehört, sagt er: „In unserem Dorf gibt es Überwachungskameras. Die Bewohner haben gesagt, sechs Leute würden überwacht.“ Er sei Zielobjekt Nr. eins. „Sie haben meine Nachbarn bedroht und sogar meine alten Eltern. Sie haben meinen Nachbarn gedroht und ihnen gesagt, man würde sie verhaften, falls sie mich unterstützen.“

Wu will nicht nachgeben

Noch immer scheinen die lokalen Behörden alles zu tun, um Wu auch in der Zukunft mundtot zu machen. Sie hätten ihn gewarnt, weiter aktiv zu sein. Doch Wu hat ein Ziel, von dem er sich nicht abbringen lässt. Er möchte, dass der Taisee sauber wird. Er möchte, dass man das Wasser wieder trinken und im See baden kann – so wie früher.

Für dieses Ziel riskiert Wu alles: „Vor ein paar Tagen war ich am See. Er ist noch immer schmutzig. Es gibt immer noch Blaualgen. Sie ziehen sie mit Booten raus.“ Keine der Fabriken habe schließen müssen. Er werde weiter gegen die Verschmutzung angehen und auch vor Gericht ziehen. „Ich fürchte mich nicht vor dem Tod“, gibt er sich kämpferisch. „In unserer Gesellschaft sind alle hinter Geld her. Das mag das Prinzip der meisten sein, meines ist anders. Ich möchte nicht mit Bedauern sterben. Ich trete weiter für die Gerechtigkeit ein.“

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