424.650 Euro im Jahr für verstrahltes Wildbret

Ein knappes Vierteljahrhundert nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zahlt der Bund noch immer Entschädigungen für die ökologischen Folgen des Unfalls. Die Zahlungen summierten sich bis Ende Juni dieses Jahres auf 238 Millionen Euro, wie die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen im Bundestag mitteilte. Schätzungen zu den gesamten volkswirtschaftlichen Kosten der Katastrophe vom April 1986 gebe es aber nicht.

424.650 Euro für Jäger und Jagdrechteinhaber

Wildschweine vor der Schlachtung in Mecklenburg-Vorpommern (Archivbild)
Das Fleisch von Wildschweinen ist aufgrund ihrer Nahrung öfter radioaktiv belastet, als das Fleisch anderer Tiere.

Wie das Bundesumweltministerium bestätigte, stiegen die Entschädigungszahlungen in einigen Bereichen in den vergangenen Jahren noch erheblich an. Für übermäßig strahlenbelastetes Fleisch von Wildschweinen zahlte der Bund an Jäger und Jagdrechteinhaber im vergangenen Jahr den Angaben zufolge insgesamt 424.650 Euro. 2006 lag der Betrag bei 240.000 Euro – 1998 hatte er noch bei umgerechnet knapp 5100 Euro gelegen. Im ersten Halbjahr 2010 habe der Bund bereits 130.000 Euro an Entschädigungszahlungen geleistet.

Viele Wildproben radioaktiv belastet

Als Grund für die gestiegenen Ausgaben nannte das „Hamburger Abendblatt“ eine gestiegene Zahl untersuchter Wildproben. Dabei sei eine erhöhte Anzahl von Wildproben gemeldet worden, deren radioaktiver Cäsiumgehalt über dem erlaubten Höchstwert lag. Die Belastung in wild wachsenden Pilzen und in Wildbret sei auch mehr als 20 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe immer noch weitaus höher als in anderen landwirtschaftlichen Produkten. Laut Umweltministerium liege das an der Beschaffenheit der Waldböden, durch welche das radioaktive Cäsium nur langsam in tiefere Bodenschichten wandert. Vor allem im Bayerischen Wald sei die Belastung auch heute noch hoch.

Das zerstörte Atomkraftwerk kurz nach dem Unfall
Das zerstörte Atomkraftwerk kurz nach dem Unfall.

Der Katastrophenreaktor von Tschernobyl im Jahr 2010
Heute ist der Unglücksreaktor mit Beton abgedeckt.

Atomindustrie haftet unbegrenzt im Falle eine Unglücks

Die Explosion des Atommeilers von Tschernobyl im April 1986 ist die größte Reaktorkatastrophe der Geschichte. Große Teile Europas, vor allem aber die damaligen Sowjetrepubliken Ukraine, Weißrussland und Russland, wurden radioaktiv verseucht. Sollte sich ein solches Unglück in Deutschland wiederholen, haften die Kraftwerkbetreiber laut Bundesregierung rein rechtlich „summenmäßig unbegrenzt“.

Um die Kosten einer solchen Katastrophe abzufangen, hat die Atomindustrie eine Summe von 2,5 Milliarden Euro pro Kernkraftwerk zurückgelegt. Dies hält die Bundesregierung für ausreichend. Erst wenn die finanziellen Mittel für alle Forderungen nicht ausreichen sollten, wird die Verteilung gesetzlich geregelt. Die Grünen-Politikerin Sylvia Kotting-Uhl kritisierte die Absicherung deutscher Kraftwerksbetreiber im „Hamburger Abendblatt“ dagegen als „theoretischer Natur“. Die Kosten wie auch die Schäden würden im Ernstfall hauptsächlich von der Gesellschaft getragen.

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