Postengeschacher und Parteieneinfluss

Es ist ein Machtkampf, der in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird: Beim ORF wird heftig über den Einfluss von Parteien gestritten. Diesen kritisierte der bisherige Informationsdirektor – und wurde prompt geschasst. Mitarbeiter befürchten eine monatelange Schlammschlacht.

Von Christoph Peerenboom, ARD-Hörfunkstudio Wien

Der Österreichische Rundfunk sorgt für Schlagzeilen. Es geht um Postengeschacher und Parteieneinfluss. „Aufstand im ORF“ titelte kürzlich eine Wiener Zeitung. Und auch der Sender selbst hebt den öffentlich ausgetragenen Machtkampf in seine Hauptnachrichten im Fernsehen: „ORF-Informationsdirektor Elmar Oberhauser ist heute Nachmittag vom Stiftungsrat des ORF abgewählt worden. ORF-Generaldirektor Wrabetz hatte einen Abwahlantrag gegen Oberhauser gestellt.“

Alexander Wrabetz und Elmar Oberhauser
Das Vertrauensverhältnis ist zerstört: ORF-Generaldirektor Wrabetz (links) und der abgewählte Informationsdirektor Oberhauser

Die Entlassung des bisherigen Informationsdirektors Oberhauser durch den Stiftungsrat, das Aufsichtsgremium des Senders, ist eine der Personalien, die für Zündstoff sorgen: Der Grund: Oberhauser hatte in einer E-Mail die Einmischung der Parteien in die Postenvergabe beim Sender angeprangert, konkret bei der Entscheidung über den neuen Fernseh-Chefredakteur.

„Haltung und Charakter“

„Ich habe Haltung und Charakter gezeigt, und ich hatte nichts anderes im Sinn, als Parteieinfluss vom Unternehmen fernzuhalten“, sagt er und ergänzt: „Dass das, was ich getan habe, den Parteivertretern im Stiftungsrat unangenehm ist, das ist mir klar.“

Der Chef des Senders, ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der als SPÖ-nah gilt, hatte erzürnt auf die Kritik seines Informationsdirektors reagiert: Oberhauser habe das Vertrauensverhältnis zu ihm zerstört, folglich müsse der Stiftungsrat ihn abwählen. Was dieser auch tat – mit den Stimmen der SPÖ und der Grünen. „Es ist bedauerlich, dass es zu so einem Schritt kommen musste“, erklärte Wrabetz. Aber wichtig sei, dass das Unternehmen handlungsfähig sei.

Katastrophales Medienecho

Verheerend ist allerdings das Echo, das der ORF mit dem Rausschmiss des Informationsdirektors auslöste. Von einem „Scherbenhaufen“ sprechen zahlreiche Redakteure des Senders: „Das öffentliche Image des ORF war noch nie so beschädigt wie in diesen Tagen“, schreiben sie in einem offenen Brief, in dem sie vor allem die politische Unabhängigkeit des Stiftungsrats infrage stellen.

Mitunterzeichner ist Dieter Bornemann, Sprecher der Redakteure beim ORF. Das Problem habe drei Namen, sagt er: „Der erste Name ist der Gesetzgeber in Form der Regierungsparteien. Die besetzen den Stiftungsrat politisch, weil sie dort ihre Interessen durchsetzen wollen.“ Das zweite Problem sei dieser politisch besetzte Stiftungsrat, der über große Teile der Entscheidungen entlang der politischen Parteigrenzen entscheide. „Und das dritte Problem ist natürlich die Geschäftsführung, die von diesem politisch besetzten Stiftungsrat wiedergewählt werden will, und dann zu personalpolitischen Zugeständnissen bereit ist.“

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Schlechte Stimmung

Das Klima zwischen Führungsspitze und Redaktionen scheint schwer belastet: Nun kam auch noch heraus, dass der Kommunikationschef des Senders, Pius Strobl, einige Gespräche zwischen ORF-Direktoren und Journalisten heimlich aufnehmen ließ. Von „DDR-Methoden“ war die Rede – hochrangige ORF-Mitarbeiter entzogen dem Kommunikationschef daraufhin ihr Vertrauen.

Viele fürchten nun, dass die Schlammschlacht noch monatelang weitergeht: Denn die Geschäftsführung des ORF, vor allem Generaldirektor Wrabetz, muss sich im August 2011 zur Wiederwahl stellen. Ein endloser hausinterner Wahlkampf um die Gunst der Stiftungsräte sei das letzte, was man brauchen könne, sagen Mitarbeiter. Redakteurssprecher Bornemann fordert deshalb, die Wahl vorzuziehen und appelliert an die Parteien: „Lassen Sie die Finger vom journalistischen Bereich. Die Politik soll sich nicht einmischen bei Bestellungen von Führungskräften beim ORF.“

„Besorgniserregende Debatte“

Ähnlich sieht es der Wiener Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell. Sein Vorwurf: „Dass das politische System immer wieder versucht, sich hier Vorteile zu verschaffen und das Grundverständnis für einen unabhängigen Journalismus offensichtlich nicht immer ausreichend aufbringt.“ Die öffentliche Debatte um den ORF hält Hausjell für „besorgniserregend“.

Immerhin: Die Programm-Qualität sieht der Kommunikationswissenschaftler nicht beschädigt. „Es sagen eigentlich alle politischen Parteien, dass der Informationsbereich des ORF sehr tadellos und von einer hohen Unabhängigkeit getragen ist.“

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