10.000 Stellen weniger und keine Arbeitslosen?

Nun ist es offiziell: General Motors wird bei seiner deutschen Tochter Opel 10.000 Stellen streichen. Allerdings soll es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Das Gros der Arbeiter soll in einer Beschäftigungsgesellschaft aufgefangen werden. Was heißt das für die Betroffenen?

Von Sabine Klein, tagesschau.de

Die Zahlen kursieren seit Wochen, inzwischen sind sie offiziell: 10.000 Stellen, knapp ein Drittel der Opel-Arbeitsplätze in ganz Deutschland (32.000), sollen gestrichen werden, die meisten davon – mehr als 5000 – im Stammwerk Rüsselsheim. In Bochum müssen rund 4100 Mitarbeiter gehen, in Kaiserslautern etwa 400. Auf entsprechende Einschnitte haben sich Betriebsrat und Opel-Vorstand geeinigt. Damit sollen die jährlichen Fixkosten um 500 Millionen Euro gesenkt werden.

Eine Milliarde Dollar für Sanierungsmaßnahmen

Das Programm besteht laut Opel aus vier Hauptelementen: der Gründung von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften, Vorruhestandsregelungen, Abfindungsprogrammen sowie der Auslagerung von Unternehmensteilen.

Der Stellenabbau soll ohne betriebsbedingte Kündigungen vor sich gehen: Etwa 6000 Stellen sollen in so genannnte Auffanggesellschaften überführt werden, weitere etwa 4000 Stellen über Altersteilzeit abgebaut oder in Gemeinschaftsunternehmen ausgelagert werden. General Motors (GM) will für die Sanierungsmaßnahmen nach den Angaben des Betriebsrates eine Milliarde US-Dollar zur Verfügung stellen.

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Ein großer Teil des Geldes fließt in die Auffanggesellschaft, die Opel gründen will. Ob die Mitarbeiter in die Auffanggesellschaft gehen oder nicht, können sie „selbst entscheiden“. Die Alternative wäre dann allerdings die Kündigung. Laut Vereinbarung sollen die Opel-Mitarbeiter 85 Prozent ihres alten Nettogehaltes bekommen, und außerdem will der Konzern noch eine Abfindung zahlen.

Was heißt Beschäftigungsgesellschaft?

Nicht erst seit der Opelkrise ist es ein gefragtes Mittel, Mitarbeiter in einer externen Beschäftigungsgesellschaft unterzubringen. Rund 400 gab es schon in Deutschland, seit das Konzept in den 80er Jahren von der IG Metall entwickelt wurde. Das Prinzip funktioniert folgendermaßen: Mit dem Wechsel zur Beschäftigungsgesellschaft endet gewöhnlich das alte Arbeitsverhältnis. Neuer Arbeitgeber wird die Transfergesellschaft. Ist man bei einer Transfergesellschaft angestellt, zahlt die Bundesagentur für Arbeit (BA) 60 Prozent des letzten Nettolohns. Arbeitnehmer mit Kindern erhalten 67 Prozent. Diese Zahlungen der Bundesagentur nennt man „Transferkurzarbeitergeld“. Der Rest des Gehaltes kommt vom Unternehmen.

Bei Opel, wo sich Arbeitgeber und Betriebsrat darauf geeinigt haben, dass die Arbeitnehmer in der Beschäftigungsgesellschaft 85 Prozent des letzten Nettogehaltes verdienen sollen, zahlt Opel also den Differenzbetrag zwischen 60 bzw. 67 Prozent und den vereinbarten 85 Prozent. Da die BA das „Transfer-Kurzarbeitergeld“ maximal ein Jahr lang bezahlt, dauern die meisten Arbeitsverhältnisse in Beschäftigungsgesellschaften auch nur so lange.

Erfolgsquote zwischen 30 und 70 Prozent

Die Bilanz dieser Gesellschaften ist durchwachsen. Gut geklappt hat es vor zwei Jahren bei AEG in Kassel. 250 von 400 ehemaligen Mitarbeitern arbeiten mittlerweile im Rahmen einer Beschäftigungsgesellschaft für VW. Sie zerlegen Motoren, anstatt Kühlschränke zu bauen. VW profitiert und zahlt ihnen weniger Lohn als den eigenen Mitarbeitern. Weniger glimpflich kam die Belegschaft des einstigen Bauriesen Holtzmann davon. Lediglich ein Drittel konnte über die Beschäftigungsgesellschaft wieder einen Job ergattern. „Die Erfolgsquote ist tatsächlich sehr unterschiedlich, sie liegt zwischen 30 und 70 Prozent“, so Uwe Domagala von der bundesweit tätigen Beschäftigungsgesellschaft „MyPegasus“ gegenüber tagesschau.de. „Ob wir jemanden wieder in eine feste Stelle vermittlen können, hängt ganz entscheidend von der persönlichen Qualifikation ab und davon, wie der Arbeitsmarkt in der Region aussieht.“

Was hat Opel von der Beschäftigungsgesellschaft?

Für Opel hat das Modell einige Vorteile. Zwar kostet die Einrichtung der Beschäftigungsgesellschaft zunächst mehr als die Kündigungen nach Sozialplan, weil der Arbeitgeber nicht nur alle Sozialbeiträge weiter zahlen muss, sondern auch alle tariflich vereinbarten Leistungen des Unternehmens wie zum Beispiel das 13. Monatsgehalt, Urlaubsgeld oder Vermögenswirksame Leistungen. Auf der anderen Seite erspart sich Opel langwierige und teure Kündigungsschutzprozesse vor Arbeitsgerichten und kann die geplanten Umbaumaßnahmen im Unternehmen in Ruhe durchführen.

Und die Bundesagentur für Arbeit?

In der Zeit, in der die BA das Kurzarbeitgergeld für die Menschen zahlt, die in der Beschäftigungsgesellschaft arbeiten, muss sie – anders als beim Arbeitslosengeld – keine Sozialleistungen zahlen. Zudem bieten die Gesellschaften den Vorteil, dass nicht, wie im Fall Opel, plötzlich 10.000 Arbeitslose mehr in den Statistiken auftauchen. Hilmar Schneider vom Forschungsinstitut Zukunft der Arbeit sieht das Modell trotzdem kritisch: „Zunächst handelt es sich um eine künstliche Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslodengled“, sagte er den Tagesthemen. „Gleichzeitig wird damit betriebliche Personalpolitik finanziert, alles aus Betragsmitteln. Beides ist im Grunde nicht im Sinne der Versicherung und geht zu Lasten der Versichertengemeinschaft.“

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