Schluss mit Ladenschluss: Wie Berlin und Bayern die neuen Möglichkeiten nutzen

Ein Aspekt der Föderalismusreform der Großen Koalition ist, dass die Bundesländer nun jeweils selbst entscheiden können, wann wer seinen Laden oder sein Kaufhaus auf- und zumachen darf. Seit gestern Abend geht das in Berlin rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft Montag bis Samstag rund um die Uhr, wie übrigens in vielen Hauptstädten dieser Welt. Andere Bundesländer sehen das anders.

Von Jürgen Osterhage und Christine Alt

Freudige Stimmung am Prenzlauer Berg in Berlin: Sekt statt Selters auch in kleiner Geschäften. Juwelier Rotholz feiert die neue Einkaufsfreiheit.

Heinz Rotholz, Juwelier: „Wir sind zufrieden, dass wir unsere Öffnungszeiten so gestalten können, wie wir hoffen, dass die Kunden uns wollen. Und dass wir dann im Handel auch erfolgreich sind.“

Einkaufen rund um die Uhr und auch die ganze Nacht: Berlin als Vorreiter. Rund 50 Jahre bundesweit verbindlicher Ladenschluss: In Berlin als erstem Bundesland ist dass nun passé.

Klaus Wowereit, SPD, Regierender Bürgermeister von Berlin: „Ich glaube es war höchste Zeit, dass tatsächlich jedem es überlassen bleibt, wann er öffnet von montags bis Samstag. Rund um die Uhr ist das in Berlin möglich.“

Ganz anders in Bayern. Hier bleibt zunächst alles beim Alten. Um 20 Uhr müssen die Läden überall nach wie vor dicht machen. Die Kunden finden das nicht so toll.

Kunde: „Die Bayern haben immer schon was extra gemacht, immer eine Extrawurst. Und ich finde es wie gesagt beim Ladenschluss nicht gut, das soll der Markt entscheiden.“

Die CSU zögert. In Bayern wird es wahrscheinlich erst im nächsten Frühjahr eine neue Regelung der Ladenschlusszeiten geben.

Erwin Huber, CSU, Wirtschaftsminister Bayern: „Wir wollen die Erfahrungen in anderen Ländern abwarten. Wir wollen alle Aspekte noch einmal prüfen und mit der Wirtschaft auch besprechen.“

Nach Berlin wird Nordrhein-Westfalen am kommenden Dienstag die Ladenöffnungszeiten werktags vollständig freigeben. Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen wollen zum Teil noch im Dezember folgen. Ähnlich Sachsen-Anhalt und Thüringen. Nur am Samstag sollen die Läden hier bereits um 20 Uhr schließen. Sachsen und Rheinland-Pfalz planen Öffnungszeiten werktags von 6-22 Uhr. In Bayern und im Saarland ändert sich erst einmal nichts.

Hubertus Pellengahr, Hauptverband Deutscher Einzelhandel: „Unterschiedliche Regelungen in den verschiedenen Bundesländern führen dazu, dass Geschäfte benachteiligt werden, die Kunden fahren dann in die Länder, in die Städte, in denen sie länger einkaufen können. Das benachteiligt die eigenen Geschäfte. Deshalb sind wir dafür, dass es bundesweit eine einheitliche Reglung gibt.“
Unterschiedliche Regelungen auch am Sonntag. Berlin erlaubt zehn offene Sonn-und Feiertage im Jahr, dagegen laufen die Kirchen Sturm. Der Sonntag müsse als Tag des Gottesdienstes erhalten bleiben.

Bischof Wolfgang Huber, Evangelische Kirche Deutschland: „Das ist für uns als Kirchen ein gravierender Vorgang, aber auch für die Gesellschaft insgesamt, denn es ist ein Einbruch in ein wichtiges Element unserer Sozialkultur.“

Noch sind in Berlin nur wenige Geschäfte nach 20 Uhr geöffnet. Gespräche mit den Betriebsräten laufen noch. Längere Öffnungszeiten sollen in der Regel nicht gegen die Arbeitnehmer durchgesetzt werden. Die Gewerkschaften sind skeptisch.

Margret Mönig-Raane, verdi: „Trotz längerer Öffnungszeiten, trotz mehr Verkaufsfläche, das kommt ja noch hinzu, ist die Zahl der Beschäftigten im Einzelhandel gesunken. Und die Zahl der Vollzeitbeschäftigten noch mal mehr gesunken.“

Die Unternehmen sehen das anders, erwarten vor allem mehr Umsatz. Und die Kunden freut der verlängerte Ladenschluss.

Kunde: „Für mich als Verbraucher natürlich. Es ist schon gut. Ob es für die Angestellten so toll ist, weiß ich nicht.“

Kundin: „Am Ende gibt es für irgendwen immer einen Nachteil, aber für mich sehe ich jetzt den Vorteil. Die können nur noch hoffen, dass ich genug Geld habe.“

Ländliche Regionen und Randlagen in Großstädten, so der Einzelhandelsverband, werden von den neuen Öffnungszeiten kaum profitieren. Nutznießer werden eher die Innenstädte und die großen Kaufhäuser sein.

Kontakt zum Autor: internet@ard-hauptstadtstudio.de

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