Die NPD macht Fernsehen

Seitdem die NPD in die Landtage gewählt wird, lässt sich eine Tendenz feststellen: Die Rechtsradikalen versuchen ihre Ideologie hinter einer Fassade von Normalität und Bürgerlichkeit zu verstecken. Der neueste Versuch in diese Richtung ist ein TV-Auftritt im Internet. Christoph Hamann hat das rechte TV-Studio besucht.

Musik von Richard Wagner aus großen Megaphonen, dazu schwarze Fahnen und Fackeln – so inszenieren sich Rechtsextreme schon immer gern. Die, die in dieser Nacht des Gedenkens auf Dresdens Elbterassen marschieren, reden vom „Bomben-Holocaust“. Sie meinen damit die Nacht des 13. Februars 1945, als die sächsische Metropole von allierten Bombern angegriffen wurde.

Unterwegs sind die Kader der Neonazi-Szene und ihre Mitläufer. Manche sind vorbestraft, weil sie das Dritte Reich schönreden. Mit dabei ist auch Felix Vymazal. Der Philosophie-Student dreht den Marsch seiner braunen Kameraden mit einer Videokamera. Denn im Fernsehen, so das NPD-Mitglied Vymazal, werde die Wirklichkeit – seine Wirklichkeit – ja doch nur gefälscht.

Streit um Opferzahl wird instrumentalisiert

„Die offizielle Geschichtsschreibung spricht ja immer nur von den 35.000 Toten“, sagt er. „Aber es waren wohl eher 350.000 bis 400.000 Tote“. Das wolle man ins Gedächtnis rufen und „insbesondere damit die Jugend erreichen“.

Der 13. Februar 1945 ist ein einschneidendes Datum für die Dresdner. „Umso beschämender ist es, wenn man dieses Datum für vordergründige politische Zwecke instrumentalisiert“, findet Lutz Vogel. „Der 13. Februar begann vorher, nämlich bei der Zerstörung der Synagogen – auch hier“, betont der parteilose Oberbürgermeister von Dresden.

Rechte gehen neue Wege

Die Ursachen verkehren, den Holocaust trivialisieren: Für ihre historischen Irrwege suchen die neuen Nazis Anhänger, und das mit neuen Mitteln. Mit eigenen TV-Bildern im Internet wollen sie ihr rechtsextremes Weltbild verbreiten.

Wie werden die Bilder der Demonstration der Neonazis wohl in der Welt aufgefasst? Für den NPD-Vorsitzenden Udo Voigt „hängt das davon ab, wie Sie es auch als deutsches Fernsehen vermitteln werden“. In den Medien fühlen sich die Rechten nicht richtig dargestellt.

Nationalistische Weltsicht aus der Wetterau

Aus einem kleinen Studio in der hessischen Wetterau nördlich von Frankfurt am Main wird im Namen der NPD die nationalistische Weltsicht vermittelt. Alle zwei Wochen produziert hier Marcel Wöll, was er „kritische Nachrichten“ nennt. Es sind Themen, die die Staatsschützer stets alarmieren: Das nie vergangene Dritte Reich, kriminelle Ausländer und die marode Politik.

„Die Kultur- und Volkszerstörer treten immer häufiger ohne jeden Skrupel auf. In gänzlicher Offenheit wird nun die Entgermanisierung der deutschen Medienlandschaft propagiert“, tönt „Nachrichtensprecher“ Wöll etwa in dem Video vom 1. Januar.

„Natürlich machen wir Meinung“, sagt Wöll. „Das macht jeder Fernsehsender“, behauptet er und ist sich sicher: „Wir schreiben oder sprechen für Deutschland“. Der rechte Fernsehmacher verfügt selbst über keinerlei journalistische Erfahrung. Er ist hauptberuflich Schreinergeselle.

Sein Projekt mit dem etwas sperrigen Namen „Die Kritischen Nachrichten der Woche“ gibt es seit September und erscheint alle 14 Tage auf diversen einschlägigen rechten Internetseiten. Anfangs war es auch auf der Videoplattform YouTube zu finden, wurde dort aber nach User-Protesten gesperrt.

Die Grenze zum Strafbaren überschreiten die Nazis in ihrem Internet-TV bislang nicht. „Sie werden dort bestimmt keine Holocaust-Leugnungen finden“, sagt Juliane Wetzel vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. Natürlich würden Vorurteile gegen Juden bedient. Aber mit Blick auf die Strafverfolgungsbehörden seien die Macher des rechten TV-Auftritts „sehr vorsichtig“.

Der Verfassungsschutz sieht mit

Eine Videokamera, ein Computer und blauer Studio-Stoff reichen Marcel Wöll für die Produktion seiner Propaganda-Filme. Eine Biertisch-Bank dient als Sprechersessel. Filme und Ideen schicken Rechtsextreme bundesweit, und so ist auch Dresden in der nächsten Sendung. Auf rund 30.000 vor allem jüngere Zuschauer schätzt der braune TV-Macher seine Quote, gemessen auf zahlreichen Internet-Seiten.

Die NPD-Hessen ist federführend bei dem Projekt, tut das aber in enger Ansprache mit dem NPD-Bundesvorstand. Gern würde die Partei ihr TV-Standbein weiter ausbauen – mit einer Art bundesweitem Korrespondentennetzwerk: Braune Kameraden sollen dann als Videogruppen selbstgedrehtes Filmmaterial einschicken, das dann in der Butzbacher „Sendezentrale“ bearbeitet und mit Kommentaren versehen werden soll.

Unter den Zuschauern ist auch immer der Verfassungsschutz. „Vom Stil her erinnert es ein bisschen an die Tagesschau. Ich vermute, dass damit der ganzen Sache ein seriöser Anstrich gegeben werden soll“ erklärt Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Die Reichweite des Rechtsextremen-Fernsehens ist allerdings noch gering „Wir sehen bis heute nicht, dass diese Sendung wesentlich über den Bereich der eigenen Anhängerschaft hinaus wirkt“, sagt Fromm.

Die NPD hat das Medium Fernsehen entdeckt und versucht, sich den Anstrich normaler Berichterstattung zu geben. Dabei tut sie nichts anderes, als ihr ewiggestriges Weltbild über das Internet zu verbreiten – auch und gerade am Tag des Gedenkens der Bombardierung Dresdens.

Kontakt zum Autor: internet@ard-hauptstadtstudio.de

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