Regierung lässt Kritiker unter Putschverdacht verhaften

Am Tag des Schlussplädoyers im Verbotsprozess gegen die Partei des türkischen Regierungschefs Erdogan ist die Entwicklung eskaliert: In Ankara wurden vier prominente Regierungskritiker wegen Putschverdachts verhaftet. Ihnen wurde auch der Mord am Journalisten Dink zur Last gelegt.

Von Gunnar Köhne, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

Die Meldung schlug ein wie eine Bombe: In Ankara wurden heute zwei prominente Ex-Generäle, ein Journalist und der Vorsitzende der örtlichen Handelskammer unter dem Vorwurf verhaftet, Mitglieder einer ultranationalistischen Geheimorganisation zu sein.

Das Netzwerk, das sich nach der mythischen Urheimat der Türken Ergenekon nennt, soll einen gewaltsamen Umsturz der Regierung geplant haben. Außerdem, so der Vorwurf, stünden sie hinter den Mordanschlägen auf einen italienischen Priester und den armenischen Journalisten Hrant Dink. Angeblich wollte die Gruppe auch den Schriftsteller Orhan Pamuk und die Kurdenpolitikerin Leyla Zana umbringen.

Beschuldigte sprachen sich für AKP-Verbot aus

Schon Anfang des Jahres gab es im Rahmen der Ergenekon-Ermittlungen drei Dutzend Festnahmen. In der Nähe von Istanbul wurde ein Waffenlager entdeckt. Die nationalistische Opposition spricht im Zusammenhang mit den Verhaftungen von dem Versuch der Regierung Erdogan, Kritiker mundtot zu machen. Die Beschuldigten hatten sich wiederholt für ein Verbot der regierenden Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei AKP ausgesprochen.

Zufall oder nicht: Die Polizeioperation fiel zusammen mit dem Schlussplädoyer, das der Generalstaatsanwalt des Landes heute morgen vor dem Verfassungsgericht im Verbotsverfahren gegen die AKP gehalten hat. Darin hat er noch einmal dargelegt, warum Erdogan und seine Anhänger eine Gefahr für den Laizismus – also die gesetzliche Trennung von Staat und Religion darstellten – und deshalb verboten werden müssten.

Regierung Erdogan zeigt Entschlossenheit

Als Hauptvorwurf dient dem Ankläger die Absicht der Regierung, das Kopftuchverbot an den Hochschulen abzuschaffen. Sogar eine Verbindung zwischen Kreisen der AKP und der Terrororganisation Al Kaida erwähnte er – konkrete Beweise für die Behauptung nannte er allerdings nicht. Am Donnerstag wird sich die AKP vor dem Verfassungsgericht verteidigen. Mit den heutigen Verhaftungen hat die Regierung deutlich gemacht, dass sie entschlossen ist, sich der Auseinandersetzung mit ihren Gegnern zu stellen.

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