Was wurde aus den Spenden für Haiti?

Die Spendenbereitschaft nach dem Erdbeben in Haiti war riesig – auch in Deutschland. Doch bisher wurde der Großteil der Gelder noch nicht ausgegeben. Die Welthungerhilfe hat bisher nur rund ein Viertel verbraucht. Dies sei bewusst geschehen, heißt es.

Von Martin Polansky, ARD-Hörfunkstudio Mexiko, zzt. in Port-au-Prince

Ein Mädchen trägt Plastikeimer zu einer Wasserausgabestelle
Noch immer sind rund eine Million Menschen obdachlos – wie auch dieses Mädchen

Der Gang durch Port-au-Prince ein Jahr nach dem schweren Erdbeben ist erschreckend. Etwa eine Millionen Menschen leben immer noch in den Zelten der Obdachlosencamps. Immerhin: Inzwischen stehen nun Plastiktoiletten vor den Lagern, Wassertanks wurden aufgebaut. Trotzdem breitet sich die Cholera aus – bisher sind 150.000 Menschen erkrankt, rund 3500 Menschen starben. Die akute Not ist also nach wie vor groß.

Und man fragt sich: Wo sind all die Spenden geblieben?

Am Geld mangelt es eigentlich nicht – soviel steht fest. Auch bei deutschen Hilfsorganisationen sind für Haiti viel mehr Spenden eingegangen als bereits ausgegeben wurden. So hat zum Beispiel die Welthungerhilfe knapp 21 Millionen Euro an Spenden bekommen. Davon sind 5,6 Millionen Euro geflossen – also etwas mehr als ein Viertel.

Langfristige Hilfe soll im Vordergrund stehen

Eine zerstörte Kirche in Port-au-Prince
Die Welthungerhilfe will Spenden langfristig einsetzen – Blick in eine zerstörte Kirche in Port-au-Prince.

Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, begründet das so: „Das ist auch eine bewusste Entscheidung. Ein großer Teil davon ist in der Nothilfe ausgegeben worden. Und jetzt muss man eben Stück für Stück auch den Wiederaufbau, die Gebäude machen.“ In den kommenden fünf Jahren will die Welthungerhilfe die anderen Spenden einsetzen. Ein Schwerpunkt dabei: Langfristige Projekte in der Landwirtschaft.

Oder das Beispiel Care: 45 Millionen US-Dollar hat die Organisation weltweit für die Haiti-Hilfe nach dem Erdbeben durch Spenden und öffentliche Gelder eingenommen. 23,2 Millionen, also etwa die Hälfte davon, wurde bisher tatsächlich eingesetzt. Hilfe brauche ihre Zeit, argumentiert Sabine Wilke von Care: „Es ist auch ganz wichtig zu sagen, dass es nicht nur darum geht, das Geld auszugeben. Sondern wir müssen das Geld richtig ausgeben. Und das sind Planungen, die einfach ihre Zeit brauchen.“

Ihre Organisation arbeite so schnell es geht und wolle noch schneller werden. Wilke betont aber auch: „Niemand kann erwarten, dass wir innerhalb eines Jahres das komplette Geld ausgeben. Das wäre auch nicht wünschenswert, weil es dann nämlich falsch gemacht würde.“

Viel Stückwerk, wenig Strategie

Nach wie vor fehlt aber ein langfristiger Plan für Haiti. Durch die Straßen von Port-au-Prince schieben sich zwar die Jeeps von Tausenden Helfern aus aller Welt und guter Wille ist sicher da. Aber vieles ist Stückwerk. Hier eine Schulstation, dort Zelte oder Taschenlampen für die Obdachlosen. Die Vereinten Nationen versuchen zwar, die Hilfe zu koordinieren. Aber viele beklagen, dass die Zusammenarbeit hakt.

In der Kritik ist vor allem die haitianische Regierung. Projekte würden liegenblieben, weil die Behörden keine Entscheidungen treffen.

Bewohner von Port-au-Prince haben in einem zerstörten Haus ein Zelt errichtet
Bewohner von Port-au-Prince haben in einem zerstörten Haus ein Zelt errichtet

Versickert viel Geld in den Behörden?

Zudem wecke das viele Geld aus dem Ausland Begehrlichkeiten, die man abwehren müsse, sagt etwa Katja Anger von der Kindernothilfe. Als Beispiel führt sie ein Projekt zum Wiederaufbau einer Schule an. „Wir haben dem Rathaus wegen der Autorisierung geschrieben. Und dann haben sie dafür 5500 Dollar verlangt und uns einen Experten zur Seite gestellt, um zu sehen, ob die Schule auch erdbebensicher wiederaufgebaut wird. Dabei haben wir Architekten aus Chile, die für uns das Projekt wiederaufbauen. Wir denken, dass es letztlich in die Taschen der Beamten des Rathauses geht.“

Haiti ein Jahr nach dem Erdbeben. Wer erwartet hat, dass seine Spende eine schnelle Hilfe zum Besseren bringt, dürfte ernüchtert sein beim Gang durch Port-au-Prince. Ein Trost bleibt: Ohne das viele Geld wäre wohl alles noch schlimmer.

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