AKW-Gegner befürchten „inszenierten Blackout“

Ab heute liefern nur noch vier der 17 deutschen Atomkraftwerke Strom. Das geht aus Angaben der Aufsichtsbehörden und der Betreiber hervor. Neben den im Rahmen des Atommoratoriums stillstehenden acht AKW und vier weiterer wegen Wartungsarbeiten abgeschalteten Anlagen geht heute das RWE-Kernkraftwerk Emsland bei Lingen für drei Wochen vom Netz. Während der jährlichen Routine-Untersuchung im Meiler Emsland werden Brennelemente ausgetauscht.

Damit liefern nur noch Isar II und Gundremmingen C (Bayern), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Neckarwestheim II (Baden-Württemberg) Atomstrom. Da Gundremmingen B um den 26. Mai herum wieder ans Netz gehen soll, wird der bisher einmalige Engpass rund eine Woche andauern.

Energiekonzerne warnen vor Blackout

Vor diesem Hintergrund ist eine Diskussion über einen möglichen Blackout in Deutschland entbrannt. Die Energiekonzerne sehen angesichts der Tatsache, dass nur noch 27 Prozent der Atomstromkapazitäten zur Verfügung stehen, die Gefahr, dass das Licht ausgeht. Nach Zahlen der europäischen Netzbetreiber muss Deutschland derzeit fast zu allen Tages- und Nachtzeiten Strom importieren, darunter Atomstrom aus Frankreich und Tschechien sowie Kohlestrom aus Polen.

Atomkraftgegner sprechen von möglicher „Inszenierung“

Antiakw-Kampf
Das AKW Lingen bekommt neue Brennelemente.

Atomkraftgegner warnen davor, dass ein Blackout „inszeniert“ werde. Obwohl nur noch vier Kernkraftwerke am Netz seien, führen die Energieversorger ihre Reserve an Gas- und Kohlekraftwerken nicht hoch, kritisierte der Sprecher der Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt, Jochen Stay. „Die Stromversorgung in Deutschland kann auch sichergestellt werden, wenn die meisten oder gar alle Atomkraftwerke abgeschaltet sind“, sagte Stay. Es brauche dazu allerdings die Bereitschaft der Stromkonzerne, dies auch zu organisieren.Tatsächlich nähmen die Betreiber ihre abgeschalteten Gas- und Kohlekraftwerke aber bewusst nicht ans Netz und provozierten so Schwankungen im Netz, um die Bevölkerung in der Debatte um den Atomausstieg zu verunsichern, so Stay.

Bundesnetzagentur: „Situation angespannt, aber beherrschbar“

Die Bundesnetzagentur befürchtet keinen Stromausfall als Folge der Abschaltung eines weiteren Atomkraftwerks. „Wir halten die Situation für angespannt, aber noch beherrschbar“, sagte Sprecher Rainer Warnecke in Bonn. Es seien seitens der Netzbetreiber mehr Eingriffe erforderlich, um die Netzstabilität zu sichern. Insgesamt herrsche derzeit aber eine verbrauchsärmere, „lastschwächere“ Zeit, und das relativ gute Wetter helfe bei der Solarstrom-Produktion.

Atomausstieg ja – aber wann?

Unterdessen debattierten die Parteien über den Zeitpunkt des Atomausstiegs und ein alternatives Energiekonzept. CSU-Chef Horst Seehofer setzte sich in der parteiinternen Ausstiegsdebatte durch. Die Partei wolle bis 2022 den Ausstieg aus der Atomkraft, sagte Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt am Rande CSU-Vorstandsklausur in Kloster Andechs.

Die CDU sprach offen über einen Ausstieg bis 2021. Generalsekretär Hermann Gröhe sagte der „Rheinischen Post“: „Ich halte einen Atomausstieg innerhalb eines Jahrzehnts für realistisch, wenn wir gleichzeitig die Fragen der Energieeffizienz, der Speicherkapazität, des Netzausbaus und des Zubaus etwa von Gaskraftwerken stimmig beantworten.“ Der Atomausstieg müsse unumkehrbar sein. In der Diskussion über eine bundesweite Suche nach einem Endlager für hoch radioaktive Abfälle zeigte sich Gröhe ebenfalls kompromissbereit.

Damit nähert sich die CDU der Position von SPD und Grünen an, die die Energiewende im Bundesrat mittragen müssten. Nach Aussage von Umweltpolitiker Horst Meierhofer hat die FDP sich noch nicht auf ein Ausstiegsdatum festgelegt.

Die SPD will bis 2020 den letzten Meiler herunterfahren. Bei den Beratungen in Berlin kam es zu scharfer Kritik des Parteichefs Gabriel an Merkel: „Angela Merkel ist ein echter Verfassungsrowdy im Umgang mit dem Parlament“, sagte Gabriel mit Blick auf die knappe Beratungszeit für den Bundestag. „Die Ausstiegskanzlerin Merkel ist so glaubwürdig, wie es ein Wissenschaftsminister zu Guttenberg wäre“, betonte Gabriel zudem mit Blick auf die Atomkehrtwende der Union und den über eine Plagiatsaffäre gestürzten früheren Verteidigungsminister.

Der Fahrplan zum Atomausstieg

Fahrplan zum Atomausstieg
Nach dem Super-GAU in Japan strebt die Bundesregierung eine Kehrtwende in der Atompolitik an. Sie will die Zukunft der AKW klären und Eckpunkte für den Ausbau der Öko-Energie festlegen. Die Stationen: Treffen der Ethikkommission, AKW-Check, neues Atomgesetz. Der Fahrplan im Überblick.

Atomgesetz soll bis 8. Juli stehen

Bereits bis 8. Juli will die Regierung das neue Atomgesetz durch Bundestag und Bundesrat bringen. Wie viele der derzeit stillstehenden Meiler nicht wieder ans Netz gehen dürfen, will die Regierung bis Anfang Juni entscheiden, die Opposition fordert ein Aus für acht Meiler.

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