„Kein erhöhtes Risiko für Menschen“

Bisher ist das Vogelgrippe-Virus nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Das betonte jüngst die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Allerdings weisen nun in der Türkei entnommene H5N1-Proben auf Virus-Mutationen, die sich leichter an menschliche Zellen binden. Kein Grund zur Panik, meint Virologe Liebert gegenüber tagesschau.de – und erklärt auch, warum.

Von Britta Scholtys, tagesschau.de

Rund 80 Menschen sind in den letzten zwei Jahren an der Vogelgrippe gestorben – die meisten in Asien, einige nun in der Türkei. Sie infizierten sich mit dem H5N1-Virus, weil sie mit krankem Geflügel in Kontakt gekommen waren. Denn fest steht: Bisher ist das Virus nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Das betonte auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor wenigen Tagen erneut, um einer möglichen Panik vorzubeugen.

Doch fest steht auch: Die Mutation des H5N1-Virus schreitet rapide voran. Und je mehr Menschen infiziert würden, umso höher sei auch das Risiko, dass solche Virus-Mutationen entstünden, die von Mensch zu Mensch die Krankheit übertragen können, erklärt Virologe Uwe Liebert von der Universität Leipzig im Gespräch mit tagesschau.de.

Allerdings warnt der Experte ebenfalls davor, die Gefahr der Vogelgrippe für den Menschen zu überschätzen. „Dadurch, dass das Virus in der Türkei auftritt, ist das Risiko für uns in Deutschland und für die Menschheit nicht größer geworden“, betont Liebert. Auch wenn sich zunehmend mehr Frauen, Männer und Kinder infizierten, so sei das immer noch „weit unter der Schwelle, um es zahlenmäßig als echte Gefahr festzumachen“, meint der Leipziger Virologe.

Virus stellt sich auf menschliche Zelle ein

Doch das Vogelgrippe-Virus verändert sich. So ist das in der Türkei aufgetretene Virus nach Erkenntnissen britischer Wissenschaftler eine Mutation, die sich leichter an eine menschliche Zelle bindet als an die eines Vogels. Das teilte die WHO mit. Im WHO-Speziallabor in London sei danach festgestellt worden, dass die türkischen Viren-Proben ähnliche Mutations-Merkmale aufwiesen, wie sie bereits 2003 in Hongkong und 2005 in Vietnam festgestellt worden waren.

In der Tat ist das H5N1-Virus seit Jahren unterwegs. 1997 trat es zum ersten Mal in Hongkong auf. 16 Menschen wurden infiziert, die meisten von ihnen seien gestorben, sagt Professor Liebert. Danach erschien es 1999 wieder – und nun breitet es sich seit 2003 von Asien her aus. Der Experte bestätigt: „Je länger das Virus vorhanden ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutationen entstehen, die für Menschen gefährlich sind.“

Denn Viren veränderten sich rasend schnell, erklärt der Virologe. „Bei jeder Vermehrung der Erbinformation von einem Virus kommt auf 10.000 Erbbausteine eine Mutation“, so Liebert. In der Zelle brauche ein Virus von einigen Stunden bis einem Tag, um sich zu vermehren. Das heißt: „Jeden Tag hat man so pro Zelle zwischen 20.000 und 30.000 neue Viruspartikel mit etwa drei Mutationen.“ Zudem sei nicht eine einzelne Zelle betroffen, sondern Hunderte. Allerdings, so der Virologe, sei von diesen Mutationen der weitaus größte Teil ungünstig. Das Virus könne sich nicht besser, sondern schlechter vermehren.

Ob und wann also ein Vogelgrippe-Virus entstehen könne, das von Mensch zu Mensch übertragbar sei, sei reine Spekulation, betont Liebert gegenüber tagesschau.de. Wichtig sei aber, dass man auf diesen Fall vorbereitet ist – unter anderem durch die Entwicklung von Impfstoffen.

Königsweg Anti-Vogelgrippe-Impfung?

Für Geflügel gibt es diese bereits. Sie werden in China, Indonesien und Vietnam auch eingesetzt. In der EU dagegen sind diese Geflügel-Impfungen nicht zugelassen. Denn sie seien in der Tat problematisch, wie auch Liebert betont. So würde durch Impfungen eine Infektion der Tiere nicht verhindert, erklärt der Virologe. „Das Virus wird dadurch nicht ausgerottet.“ Die wirkungsvollste Bekämpfung sei immer noch die Keulung der Tiere, was für die Bauern jedoch einen immensen wirtschaftlichen Schaden bedeuten würde.

Auch die Entwicklung von Impfstoffen für Menschen müsse vorangetrieben werden. Prototyp-Impfstoffe gebe es in den USA bereits. Doch sei noch zu wenig über die Immunreaktion gegen das Virus bekannt, erklärt Liebert. „Es könnte sein, dass der Impfstoff keine ausreichende Körperabwehr gegen ein menschliches Vogelgrippe-Virus induziert.“ Auch die Nebenwirkungen seien bei dem Prototypen noch völlig ungewiss. Virologe Liebert schätzt: Mit einem verfügbaren Impfstoff sei frühestens in drei bis sechs Monaten zu rechnen.

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