Rund ein Dutzend Mal wurde geschnüffelt

Seit 2005 haben deutsche Geheimdienste nach Angaben des Bundesinnenministeriums knapp ein Dutzend Privatcomputer heimlich via Internet durchsucht. Eine genaue Zahl wollte die Sprecherin des Ministeriums nicht nennen. Grundlage für diese umstrittene Praxis war eine Dienstvorschrift, die der frühere Innenminister Otto Schily (SPD) unterzeichnet hatte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte solche Durchsuchungen im Februar in einem anderen Fall wegen der fehlender Rechtsgrundlage allerdings für unzulässig erklärt.

Schäuble will notfalls Grundgesetz ändern

Nach massiver Kritik stoppte Innenminister Wolfgang Schäuble diese umstrittene Ermittlungspraxis inzwischen. Grundsätzlich hält er Online-Durchsuchungen aber weiterhin für notwendig. „Das Internet gewinnt bei der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus immer mehr an Bedeutung“, sagte der Minister nach einer Konferenz mit seinen Unionskollegen der Bundesländer in Bremen. Derzeit müsse jedoch zunächst einmal die rechtliche Grundlage geprüft werden. Wie lange die Sicherheitsbehörden derartige Internetüberwachung nicht durchführen dürfen, hänge von der rechtlichen Prüfung ab und dies müsse in der Koalition einvernehmlich geklärt werden. Um Online-Durchsuchungen zu ermöglichen, will Schäuble notfalls auch das Grundgesetz ändern.

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Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, begrüßte den vorläufigen Stopp der Online-Durchsuchungen. „Es ist evident, dass es gegenwärtig keine ausreichende Rechtsgrundlage dafür gibt“, sagte Wiefelspütz, der grundsätzlich allerdings – wie Schäuble – für Online-Durchsuchungen zur Abwehr von Terrorismus ist.

FDP: „Stellt den Großen Lauschangriff in den Schatten“

Die Opposition lehnt solche Pläne komplett ab. Die Erfahrung habe gezeigt, das alles, was bei der Terrorismusabwehr begonnen wurde, in relativ kurzer Zeit auf weitere Felder ausgeweitet wurde, sagte Grünen-Sicherheitsexperte Wolfgang Wieland im Interview mit tagesschau.de. FDP-Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte, das Ausspionieren des elektronischen Gedächtnisses von Privatpersonen stelle den Großen Lauschangriff in den Schatten. Leutheusser-Schnarrenberger war 1995 als Reaktion auf den Großen Lauschangriff von ihrem Amt als Justizministerin zurückgetreten. Unterstützung erhielt Schäuble hingegen von den Unions-Innenministern der Bundesländer. „Wir halten seine Initiative für richtig und notwendig“, sagte Hessens Innenminister Volker Bouffier nach der Konferenz mit Schäuble in Bremen.

Am Mittwoch hatte die Bundesregierung eingestanden, dass die Geheimdienste bereits seit 2005 Online-Durchsuchungen auf Grundlage der Schily-Dienstanweisung durchführen.

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