Hunderttausende wechseln Krankenkassen

Wegen der Erhebung von Zusatzbeiträgen haben im vergangenen Jahr Hunderttausende Versicherte ihre Krankenkasse gewechselt.

Arzt im Operationssaal greift zum Besteck
Auch weil moderne Medizin immer mehr Geld kostet, erheben manche Kassen Zusatzbeiträge. Doch nun laufen ihnen die Mitglieder davon.

Allein der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) kehrten innerhalb von zwölf Monaten rund 460.000 Versicherte den Rücken, wie die „Leipziger Volkszeitung“ berichtet. Die Zahl der Mitglieder sank demnach bis Anfang 2011 auf 5,8 Millionen. Dieser Trend war bereits nach dem ersten Halbjahr 2010 absehbar, obwohl manche Kasse glaubte, die Abwanderung würde im Jahresverlauf nachlassen. Bis zum 1. Juli hatte die DAK etwa 241.000 Mitglieder verloren. Inklusive beitragsfrei Mitversicherter waren es sogar 307.000 weniger.

Die KKH-Allianz verbuchte in den ersten sechs Monaten 2010 einen Verlust von 147.000 Versicherten. Diese Zahl stieg bis zum Jahresende auf knapp 190.000. Jetzt zählt die Kasse noch 1,98 Millionen Versicherte. „Ein Großteil der Kündigungen ist auf das Sonderkündigungsrecht nach Einführung des Zusatzbeitrages zurückzuführen“, sagte eine Sprecherin der KKH-Allianz dem Blatt.

Sowohl DAK als auch KKH-Allianz verlangen von ihren Mitgliedern seit dem Frühjahr 2010 einen Zusatzbeitrag von acht Euro pro Monat.

Ansturm auf Kassen ohne Zusatzbeiträge

Krankenkassen, die keinen Zusatzbeitrag erheben, gewannen dagegen deutlich an Mitgliedern hinzu. So stieg die Versichertenzahl bei der Barmer GEK 2010 um etwa 100.000 auf 8,6 Millionen, bereits Ende Juni war es ein Plus von 54.200. Die Techniker Krankenkasse (TK) meldete einen Anstieg um 339.000 auf 7,6 Millionen. Sie hatte zum ersten Halbjahr 2010 ein Plus von 238.000 angegeben.

Auch die IKK Classic versichert jetzt 46.000 Menschen mehr und damit insgesamt 1,86 Millionen. Die Vereinigte IKK wuchs um knapp 26.200 auf 1,65 Millionen Versicherte, die Knappschaft um 44.800 auf 1,72 Millionen.

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SPD fordert Senkung der Kassenbeiträge

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach
Wirft dem Gesundheitsminister bewusste Täuschung der Bürger vor: SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach

Angesichts sprudelnder Einnahmen für den Gesundheitsfonds forderte die SPD Gesundheitsminister Philipp Rösler auf, die Krankenkassenbeiträge zu senken. Die Überschüsse belegten, dass die Beitragserhöhung zu Jahresbeginn von 14,9 auf 15,5 Prozent gar nicht nötig gewesen sei, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dem „Handelsblatt“. „Wir haben von Anfang an den Verdacht geäußert, dass diese Beitragserhöhung nur beschlossen wurde, um sicherzustellen, dass keine einzige zusätzliche Krankenkasse dieses Jahr Zusatzbeiträge erheben muss“, sagte Lauterbach weiter.

Rösler habe die Erhöhung des Beitragssatzes mit einem erwarteten Defizit von elf Milliarden Euro 2011 begründet. Damit habe der Minister „die Bürger bewusst getäuscht“, sagte Lauterbach. Die Beitragserhöhung bedeutet für Arbeitnehmer und Rentner sowie Arbeitgeber Mehrkosten von sechs Milliarden Euro.

Gesundheitsministerium: Kein Spielraum für Beitragssenkung

Das Bundesgesundheitsministerium wies die Forderungen nach einer Senkung der Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen zurück. „Das ist eine Phantom-Debatte“, sagte Sprecher Christian Lipicki in Berlin. Trotz der unerwartet höheren Einnahmen sei es mitnichten so, dass dafür Spielräume in der gesetzlichen Krankenversicherung vorhanden seien. Die GKV brauche ausreichende Finanzpuffer.

Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung hatte erklärt, dank der guten Konjunktur könne der Gesundheitsfonds 2011 rund eine halbe Milliarde Euro mehr einnehmen als noch im Herbst vorhergesagt.

Insgesamt rechnen die Schätzer inzwischen mit 181,6 Milliarden Euro Einnahmen. Die Zuweisungen an die Krankenkassen bleiben unverändert bei 178,9 Milliarden Euro, deren Ausgaben werden mit 178,7 Milliarden Euro geschätzt. Der Überschuss von 2,7 Milliarden Euro bleibt als Rücklage im Fonds.

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