Berlin-Klage könnte Finanzverteilung umwerfen

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt seit heute darüber, ob das Land Berlin wegen einer extremen Haushaltsnotlage milliardenschwere Sanierungshilfen vom Bund erhalten muss. Nach Ansicht der Richter könnte die Klage eine Neuordnung der gesamten Finanzverteilung in Deutschland zu Folge haben. „Das ist nicht nur eine Sache zwischen Berlin und dem Bund, sondern eine Sache der Republik“, sagte der Vizepräsident des Gerichts, Winfried Hassemer, in Karlsruhe. Auch Richterin Lerke Osterloh machte klar, dass es nicht allein um die Nöte der Hauptstadt gehe, sondern um ein Verteilungsproblem.

Berlin darf nicht zum Armenhaus der Republik“ werden

Gegen massiven Widerstand der Bundesregierung und vieler Länder will das mit 60 Milliarden Euro verschuldete Berlin milliardenschwere Finanzhilfen vor dem Bundesverfassungsgericht einklagen. Die Hauptstadt sei aus eigener Kraft nicht in der Lage, sich aus ihrer extremen Haushaltsnotlage zu befreien, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zu Beginn der mündlichen Verhandlung. Laut Wowereit sind zwei historische Gründe entscheidend für die Überschuldung Berlins: Der Zweite Weltkrieg und die Teilung Deutschlands und Berlins. Ohne diese Ereignisse wäre Berlin das wirtschaftliche Zentrum des Staates.

Abschließend appellierte Wowereit an die Richter: „Wir können nicht zulassen, dass Berlin zum Armenhaus der Republik wird.“ Unmittelbar vor Beginn der Verhandlung hatte Finanzsenator Thilo Sarrazin den Bund aufgefordert, die Zinsen auf die Schulden zu übernehmen, die Berlin dauerhaft nicht bedienen könne. Das würde den Stadtstaat um 30 Milliarden Euro entlasten.

„Bund an der Grenze zur Selbstgefährdung“

Als Vertreterin der Bundesregierung wies die Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, Barbara Hendricks, die Forderungen vor Gericht entschieden zurück: „Der Bund ist bereits an der Grenze zur Selbstgefährdung angelangt.“ Die Hauptstadt müsse noch mehr sparen und Ausgaben kürzen. Berlin sei bei der Neuverhandlung des Länderfinanzausgleichs nach der Wiedervereinigung „keineswegs über den Tisch gezogen worden“. Mit den Ergebnissen „waren letztlich alle zufrieden, auch Berlin“.

Bedingung: Eigene Sparbemühungen gescheitert

Das Grundgesetz sieht in Artikel 107 ausnahmsweise Finanzierungshilfen für Bundesländer in Haushaltsnöten vor. Eine Voraussetzung ist jedoch, dass das entsprechende Land bereits erfolglos erhebliche Anstrengungen zur Sanierung seiner Lage gemacht hat.

Das Urteil wird im Herbst erwartet. Bereits 1992 hatte das Gericht den Bund zu Sanierungshilfen für das Saarland und Bremen verpflichtet, die dann zwischen 1999 und 2004 gezahlt wurden.

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