15 Tage Haft für weißrussischen Oppositionsführer

Die weißrussische Justiz hat den Oppositionsführer Milinkewitsch im Schnellverfahren zu 15 Tagen Haft verurteilt. Der Herausforderer von Präsident Lukaschenko habe eine unerlaubte Kundgebung organisiert, so die Begründung.

Von Ruth Dickhoven, ARD-Hörfunkstudio Moskau

Die Behörden hatten ihn ausdrücklich gewarnt, er solle sich bloß nicht am Oktoberplatz sehen lassen. Denn der traditionelle Tschernobyl-Marsch der weißrussischen Opposition war zwar genehmigt worden. Aber nicht dort. Alexander Milinkewitsch ging trotzdem hin. Um diejenigen seiner Anhänger, die sich aus alter Gewohnheit dort versammelt hatten, zur Akademie der Wissenschaften zu führen, wo demonstriert werden durfte. Milinkewitsch erklärt sein Handeln: „Vor allem die Jugendlichen, die zu uns kommen, sind so engagiert, dass wir kein Recht haben, sie im Stich zu lassen.“

Bis zu 10.000 Menschen nahmen dann an der Kundgebung zum Jahrestag der Tschernobylkatastrophe teil. Ein großer Erfolg für die weißrussische Opposition. Milinkewitsch und andere Redner kritisierten das autokratische Regime von Alexander Lukaschenko und nannten es ein politisches Tschernobyl, unter dem das Land neben der Verstrahlung durch den Super-Gau von 1986 zusätzlich zu leiden habe.

Die Quittung für das unbotmäßige Verhalten folgte heute Vormittag: Polizisten nahmen Milinkewitsch aus einer laufenden Veranstaltung heraus fest. Der Oppositionsführer befand sich in der Redaktion einer oppositionellen Wirtschaftzeitung in Minsk. Und sollte sich hier per Telefonhotline den Fragen der Leser stellen. Im Schnellverfahren wurde er dann zu 15 Tagen Verwaltungshaft verurteilt. Ebenso wie die Vorsitzenden der Kommunistischen Partei, der Gewerkschaftspartei Trud und der Nationalen Front.

Lebedko wieder aufgetaucht

Dafür tauchte aber immerhin Anatolij Lebedko wieder auf, der Vorsitzende der Vereinigten Bürgerpartei, der vermisst und verzweifelt gesucht worden war. Lebedko sagte, er sei am Vortag im Stil von Todesschwadronen festgenommen und weggefahren worden. „Neun Stunden lang wusste niemand, nicht einmal meine Angehörigen, wo ich mich befinde. Und selbst habe ich auch erst um 18 Uhr erfahren, dass es sich um den KGB handelt.“ Lebedko meint, das es sich um eine Reaktion auf die Initiative gehandelt habe, Lukaschenko vor ein internationales Gericht zu stellen. Außerdem habe man seine Teilnahme am Tschernobylmarsch verhindern wollen, so Lebedko weiter.

Nach dem spurlosen Verschwinden mehrerer Regimekritiker vor einigen Jahren hatten Angehörige und politische Mitstreiter zwischenzeitlich das Schlimmste befürchtet. Doch Lebedko tauchte wieder auf, und berichtete, man habe ihn geschlagen, ihm Terrorismus vorgeworfen und mit Erschießung gedroht. Er hoffe aber, in den letzten Jahren bereits bewiesen zu haben, dass er seine Überzeugungen nicht verraten werde, egal unter welchen Druck man ihn setze.

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