Die USA verlieren ihren “Hinterhof“

Bolivien ist in Havanna dem von Venezuela und Kuba geschaffenen „Handelsvertrag der Völker“ beigetreten, einem Gegenprojekt zu den Freihandelsabkommen, die die USA zum Beispiel mit Peru und Kolumbien geschlossen haben. Diese lehnen die linken Regierungen Lateinamerikas als neo-liberale Offensive der Konzerne ab. Unter der geistigen und finanziellen Führung von Venezuelas Staatschef Hugo Chavez verbünden sich die Länder in immer mehr Initiativen: Die USA verlieren an Einfluss in ihrem ehemaligen „Hinterhof“.

Von Michael Castritius, ARD-Hörfunkkorrespondent, Mexiko

Gewissermaßen tobt ein Handelskrieg auf dem amerikanischen Kontinent, ein Krieg um Freihandel. In diesem Krieg gewinnen Venezuelas Präsident Hugo Chavez und sein engster Verbündeter Fidel Castro eine weitere Schlacht, indem sie Bolivien einreihen. Sie unterzeichnen das „Handelsabkommen der Völker“, das laut Evo Morales, Präsident Boliviens, gerechten Handel fördern soll.

Es ist nichts weniger als ein Angriff von der linken Flanke auf Alca, das große Projekt der USA, das von Washington gewünschte gesamt-amerikanische Freihandelsabkommen, von dem nur Kuba ausgeschlossen sein sollte. Alca sollte ursprünglich schon 2005 in Kraft treten. Aber im November – auf dem Amerika-Gipfel im argentinischen Seebad Mar del Plata – erlitt George Bush Schiffbruch mit seinem Ansinnen: Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay und natürlich Vorreiter Venezuela sagten „no“ zu Alca. Ein Nein, das Chavez als persönlichen Sieg über die USA und Bush verbuchte, die er prinzipiell nur „das Imperium“ und „Mr. Danger“ nennt.

Ein Sieg über das „Imperium“

„Mr. Danger höchstpersönlich wollte sich in Mar del Plata ein Fest organisieren: mit Druck, Erpressung und schmutzigem Krieg“, so Chavez. „Sein Imperium ist schließlich das perverseste, mörderischste, moralloseste, das dieser Planet seit Jahrhunderten gesehen hat. Wer jetzt wissen möchte, wo Alca geblieben ist, der sollte in Mar del Plata buddeln, dort ist Alca beerdigt worden“.

Die USA versuchen das Scheitern ihres panamerikanischen Freihandelsabkommens Alca zu kompensieren, indem sie Einzelverträge mit Peru oder Kolumbien abschließen, beispielsweise zum Nachteil von Bolivien: Wenn der Vertrag mit Kolumbien 2007 in Kraft tritt, wird Kolumbien säckeweise Soja aus der hochsubventionierten US-Landwirtschaft beziehen. Bislang aber verkauft Bolivien zwei Drittel seiner Soja-Produktion an Kolumbien. Es droht ein Einnahmeverlust von 140 Millionen Euro pro Jahr, eine Katastrophe für die Bauern in dem armen Andenstaat, in dem 120.000 Arbeitsplätze am Soja hängen.

Große Chance für „Handelsvertrag der Völker“

Der Andenpakt wird an solchen Freihandels-Konsequenzen scheitern: Venezuela und Bolivien haben ihren Austritt angekündigt. Sie unterzeichnen stattdessen den „Handelsvertrag der Völker“, in dem es um solidarischen Austausch von Waren gehen soll. Die Länder Lateinamerikas, zumindest die mit linken Regierungen, schließen sich wirtschaftlich immer enger zusammen – gegen die Übermacht aus dem Norden. Chavez hat dem Ziel einen Namen gegeben: Alba: bolivarianische Alternative für Lateinamerika, der Konkurrenzentwurf zur Alca.

Und Alba ist bereits Wirklichkeit geworden. Kuba und Venezuela haben einen Mechanismus der Zusammenarbeit der bolivarianischen Alternative für Amerika geschaffen. In Amerika tobt ein Wirtschaftskrieg, die USA verlieren nach und nach ihren „Hinterhof“. Ein alternativer Handelspartner bietet sich Lateinamerika längst an: China. Ein Drittel der chinesischen Auslandsinvestitionen fließen bereits hierher – Tendenz: rapide steigend.

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