Den Menschen Mut machen

Trotz der grausamen Unruhen haben viele Kenianer den Glauben an ein friedliches Zusammenleben nicht aufgegeben. Zum Beispiel Tausende Jugendliche, die sich in Nairobi zu einem Festival trafen. „Wakenja Pamoja“ – „Wir stehen zusammen“ heißt ihr Lied.

Von Wim Dohrenbusch, ARD-Hörfunkstudio Nairobi

Auf der Festwiese tanzen und singen ein paar tausend junge Leute in der untergehenden Sonne zu den Klängen von Jua Kali, dem bekanntesten kenianischen Rapper. Hinter der Bühne hat sich alles versammelt, was musikalisch Rang und Namen hat. Manche sitzen ernst und schweigend da, andere reißen Witze. Immer wieder fallen sie sich in die Arme, haben Tränen in den Augen und sprechen sich gegenseitig Mut zu. Und dann sind alle draußen. Hand in Hand singen sie ihre Botschaft als Antwort auf das, was Kenia in den vergangenen Tagen erschüttert hat.

„Wakenya Pamoja“ – „Kenia steht zusammen“ heißt das Friedenslied, mit dem die Musiker alle Volksgruppen und die Politiker des Landes auffordern, gewaltfrei aufeinander zuzugehen, erzählt Suzanna Owiyo: „Wir haben das Stück aufgenommen, weil wir als Künstler eine Verantwortung in der Gesellschaft haben. Wir wollen ein Zeichen des Friedens und der Hoffnung für alle Kenianer setzen.“

„Die Reaktion war unglaublich“

Hinter der Idee steht der Komponist und Produzent Robert Kamanzi. Als die Welle der Gewalt nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen ihren Höhepunkt erreicht hatte, setzte er sich hin, schrieb das Lied und griff zum Telefon. „Die Reaktion war unglaublich“, berichtet er. „Im schlimmsten Chaos sind 50 Sänger und Musiker ins Studio gekommen und haben den Song aufgenommen und eine Antwort auf die Situation im Land gegeben.“

Die Unruhen mit vermutlich mehr als 600 Toten weckten bei Robert schreckliche Erinnerungen. „Ich komme aus Burundi und bin vor dem Bürgerkrieg nach Ruanda geflüchtet. Dort habe ich den Völkermord erlebt und bin schließlich in Kenia gelandet. Nun zerreißt es mir das Herz, was ich hier erlebe.“

Auch Eric Wainaina, der Star der kenianischen Szene, gehört zu den „Musikern für den Frieden“. Sein Lied „Daima“ hat sich bei den kenianischen Radiosendern zur Hymne der Solidarität entwickelt. Nachdenklichkeit und Trauer sind heute seinem Lachen gewichen. „Wir haben geglaubt, dass wir Stammeskonflikte hinter uns haben. In den Städten haben Kikuyus, Luos oder Kalenjin friedlich Tür an Tür gelebt.“

„Jetzt ist alles gescheitert“

Heute fühlt sich Eric von den Politikern verraten, in die er vor fünf Jahren alle Hoffnung gesetzt und die er öffentlich unterstützt hat. „Damals waren wir so begeistert. Wir haben an ein neues Kenia geglaubt, an ein Kenia ohne Korruption, das die sozialen Gegensätze beseitigt. Aber jetzt ist alles gescheitert.“

Dass ihr Lied und ihre Appelle auf offene Ohren bei den Politiker stoßen, daran zweifeln Eric und Suzanna. Aber den Menschen wollen sie Mut machen. Mit den Konzerteinnahmen und dem Erlös der „Wakenya Pamoja“-CD unterstützen die Musiker die 250.000 Flüchtlinge im eigenen Land. „Da draußen sind Mütter und Kinder. Sie haben kein Dach über dem Kopf, kein Wasser und nichts zu Essen. Es ist so traurig“, sagt Suzanna.

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