Eskalation vor „Langem Marsch“

Der Machtkampf zwischen Anhängern von Regierung und Opposition in Pakistan hat sich weiter zugespitzt. In Lahore lieferten sich Hunderte Demonstranten eine Straßenschlacht mit der Polizei. Ob Oppositionsführer Scharif den Sternmarsch nach Islamabad anführen wird, ist fraglich.

Von Sabina Matthay, ARD-Hörfunkstudio Südasien

Bei Sprechchören sollte es nicht bleiben: In Lahore, der politischen Hochburg des pakistanischen Oppositionsführers Nawaz Scharif, lieferten sich Demonstranten im Laufe des Tages Straßenschlachten mit der Polizei. Trotz Demonstrationsverbots waren Tausende auf den Straßen der Metropole. Die Polizei errichtete Blockaden und zog vor wichtigen Gebäuden auf. Als Protestierende sie mit Steinen bewarfen, trieben die Sicherheitskräfte die Menge mit Tränengas und Schlagstöcken auseinander. 

Polizei lässt Scharif ziehen – vorerst

Zuvor hatte die Meldung die Runde gemacht, Scharif und weitere führende Oppositionelle seien unter Hausarrest gestellt worden. Pakistanische Fernsehsender konnten dennoch eine flammende Rede des Politikers übertragen: Pakistan sei ein Polizeistaat, so Scharif. Er werde die geplanten Proteste in der Hauptstadt Islamabad am Montag anführen.

Kurz darauf verließ der Chef der Muslim-Liga sein Anwesen in einem Konvoi, um bei einer Großkundgebung zu sprechen. Die Polizisten, die sein Haus umstellt hatten, ließen ihn ziehen. Ob Scharif tatsächlich den Sternmarsch anführen wird, zu dem Tausende aus allen Teilen Pakistans nach Islamabad kommen wollen, bleibt abzuwarten.

Oberster Richter soll wieder eingesetzt werden

Doch die Wut ist groß. Anwälte und Oppositionspolitiker fordern die Wiedereinsetzung des früheren Obersten Richters Iftikar Chaudry. Chaudry war 2007 zusammen mit rund 60 Richterkollegen vom damaligen Militärmachthaber Perez Muscharraf des Amtes enthoben worden. Dessen Nachfolger Asif Ali Zardari weigert sich, Chaudry wieder ins Amt einzusetzen. Er fürchtet möglicherweise, dass der als unbestechlich geltende Jurist Korruptionsverfahren gegen ihn neu aufrollen würde. Daran war im vergangenen Jahr das politische Bündnis von Zardaris Volkspartei mit Scharifs Muslim-Liga zerbrochen.

Doch die Sache der Anwälte genießt immer noch große Unterstützung im Lande, auch, weil die Pakistaner ein halbes Jahr nach Zardaris Amtsantritt höchst unzufrieden mit dem Staatsoberhaupt sind: Pakistan steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, der Anschlag gegen die Cricket-Nationalmannschaft von Sri Lanka in Lahore hat die Instabilität Pakistans unterstrichen, derweil sind die islamischen Extremisten auf dem Vormarsch.

Beobachter bezweifeln, dass Zardari noch Herr der Lage ist

Dass Scharif und dessen Bruder nun auch noch gerichtlich von Wahlen ausgeschlossen worden sind, wird ebenfalls dem Präsidenten angekreidet. Der wolle sich die einzig ernstzunehmende Konkurrenz vom Leibe halten, heißt es.

Der politische Beobachter Zaheed Hussein glaubt, dass der Präsident nicht mehr Herr der Lage sei: „Die Situation ist völlig außer Kontrolle. Die Proteste breiten sich aus und die Maßnahmen, mit denen Kundgebungen in Islamabad verhindert werden sollen, machen es nicht einfacher.“

Polizeikontrollen und Straßensperren

Die Sicherheitsmaßnahmen in der Hauptstadt sind unterdessen massiv verschärft worden. Straßensperren und Polizeikontrollen sollen verhindern, dass Demonstranten in die Stadt strömen. Rund tausend Menschen sollen in den vergangenen Tagen im ganzen Land festgesetzt worden sein. Die Proteste in Pakistan aber dürften weitergehen, der Machtkampf zwischen Präsident Zardari und Kontrahent Scharif spitzt sich zu.

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