Aus für die „Alles-auf-Pump“-Kaufkultur?

US-Amerikaner leben auf Pump. Allein die Kreditkartenschulden liegen landesweit bei mehr als 800 Milliarden Dollar, dreimal soviel wie vor 20 Jahren. Mit durchschnittlich 10.000 Dollar ist jeder US-Haushalt inzwischen in den Miesen, und das ohne Immobilienschulden. Die US-Immobilienkrise ist nur die Spitze des Eisbergs.

Von Carsten Schmiester, NDR-Hörfunkstudio Washington

Millionen Amerikaner fürchten kaum etwas mehr als Anrufe wie diesen: „Sie haben bei uns für 312 Dollar eingekauft“, wird hier gemahnt, „wenn das Geld nicht bis zum 26. da ist, muss ich den Kauf als unbezahlt stornieren.“ Amerikaner leben auf Pump. Allein die Kreditkarten-Schulden liegen nach aktuellen Angaben landesweit bei deutlich mehr als 800 Milliarden Dollar, dreimal soviel wie vor 20 Jahren.

„Man hat ihnen diese Kredite aufgeschwatzt“

Autos, Möbel, Kreuzfahrten, aber auch die ganz normalen Dinge des Alltags, Lebensmittel, mangels Krankenversicherung oft auch Arztbesuche und Medikamente werden mit „plastic“ bezahlt, also bargeldlos per Karte – und auf Kredit. Durchschnittlich 10.000 Dollar ist jeder US-Haushalt inzwischen in den Miesen, und das ohne die wachsenden Belastungen durch gestiegene Darlehenskosten für die eigenen vier Wände. Die Krise am Immobilienmarkt ist nur die Spitze des Eisberges. „Wir stehen vor einer ganz allgemeinen Schulden- und Kreditmisere“, meinen Experten.

Die Tatsache, dass viele nur noch schwer oder gar nicht mehr ihre Baudarlehen abzahlen können, bringt diese Haushalte in extreme Not, sagt Marina Preed, die sich in Atlanta im Bundesstaat Georgia um ohnehin weniger gut gestellte Familien kümmert: „Sie haben im Vergleich zu früher weniger Einkommen, Reservisten werden zum Kriegsdienst gerufen, Krankheit und die damit verbundenen Kosten spielen eine Rolle und dann hat man ihnen diese Kredite aufgeschwatzt, die sie sich eigentlich nicht leisten können.“

Gegenreaktion: Erst gibt es zu viel Kredit, dann zu wenig

Damit ist es erst einmal vorbei, sagt Chris Mayer von der Columbia Business School: „Die Banken werden vorsichtiger bei der Kreditvergabe. Man kann nicht länger ein Haus ganz ohne Eigenkapital und ohne Nachweis eines Einkommens kaufen. Es gibt daher die Sorge, dass Investoren künftig um alles einen Bogen machen, was auch nur irgendwie mit Immobilien zu tun hat. Aber ich glaube nicht, dass wir schon soweit sind, und ich denke, es wird auch nicht soweit kommen.“

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Mayer rechnet nicht mit dem ganz großen Knall, dem massenhaften Bankrott privater Haushalte. Aber auch so wird es schlimm genug, sagen andere Experten wie Christian Weller vom Zentrum für amerikanischen Fortschritt: „Das Problem mit diesen Kreditkrisen ist, dass Leute nicht länger in ihre Zukunft investieren können. Nach Phasen zu großzügiger Kreditvergabe wie in den vergangenen Jahren kommt es oft zur Gegenreaktion, dann wird der Markt zu eng gemacht.“

„…wie Religion ohne Sünde“

Statt zu viel Geld gäbe es demnach erst einmal zu wenig, die „Alles-Auf-Pump“-Kaufkultur der Amerikaner würde einigermaßen brutal gebremst, der Konsum ginge zurück, die US-Wirtschaft würde deutlich weniger wachsen. Experten rechnen für längere Zeit mit einer Stagnation bei unter einem Prozent, bevor sich der Markt erholt. So ist das eben, kommentiert Wirtschaftsprofessor Allan Meltzer. „Kapitalismus ohne Fehlschläge ist wie Religion ohne Sünde – es funktioniert nicht!“

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