Kein Grundrecht auf kostbares Nass

Appelliert wurde viel auf dem 4. Weltwasserforum in Mexiko-Stadt. Beim Appell blieb es letztlich auch, zumindest in der offiziellen Schlusserklärung. Minister aus über 120 Staaten appellierten, die Bedeutung des Wassers für eine nachhaltige Entwicklung anzuerkennen. Sie vermieden es aber ausdrücklich, der Forderung nach der Anerkennung des freien Zugangs zum Wasser als eines Grundrechts der Menschheit nachzugeben.

Von Michael Castritius, ARD-Hörfunkstudio Mexiko-Stadt

„Menschenrecht auf Wasser“ sowie „Privatisierung“ sind die großen Begriffe, die die Schlagzeilen über das 4. Welt-Wasserforum bestimmen. Dabei waren es über 1500 kleinste und große Projekte, die die eigentliche Arbeit in den 250 Gruppensitzungen bestimmten. Projekte von allen Kontinenten, die zeigen, wie mehr Trinkwasser gewonnen werden kann, wie vorhandenes Wasser besser verteilt wird, wie verschmutztes Wasser entsorgt oder – noch besser – weiterverwendet werden kann.

Auf diese konkreten Ansätze will die deutsche Regierung konzentrieren, sie schickte deshalb nicht einmal einen Minister zur internationalen Ministerkonferenz. So sieht das auch die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). Deshalb war der Deutsche Pavillon auf dem Forum recht klein, so GTZ-Repräsentant Ingo Baum: „Ich denke, dass das Repräsentieren hier im Vordergrund steht. Die wirkliche Entwicklungszusammenarbeit findet vor Ort statt. Die Wirkungen in den Projekten werden vor Ort erzielt. Hier hat man natürlich ein Forum, auf Themen aufmerksam zu machen.“

Wasser ist längst ein Milliarden-Geschäft

Gehört wurden aber vor allem die lauten Themen, die Reizthemen. Privatisierung etwa. Wasser ist nicht nur Lebenselixier, sondern auch Elixier für einen riesigen Geschäftszweig. Mit Wasser in Plastikflaschen werden Millionen-Gewinne gemacht, gigantische Staudamm-Projekte werfen ebenfalls Dollars ab. Unerschwingliche Literpreise durch Privatisierung befürchten Kirchen und soziale Basisgruppen. Allerdings ist die komplette Übergabe der Wasserversorgung längst von Tisch, „Wasser ist Gemeingut“, so die politische Einsicht. Einzelne Dienstleistungen und Projekte jedoch sollen an Unternehmen vergeben werden – öffentlich-private Partnerschaft nennt man das schmuckvoll.

Parlamentsabgeordnete aus über 100 Staaten forderten deshalb eine soziale Abpufferung: 40 Liter sauberes Trinkwasser soll jeder Mensch kostenlos bekommen – erst danach beginnt das Geschäft. Diese Forderung könnte durch ein verfassungsmäßiges Recht auf Wasser verfestigt werden. Solch ein Recht gibt es bislang nur in Uruguay – und es wird es international vorläufig auch nicht geben. Boliviens entsprechender Antrag an die Minister-Konferenz wurde abgewiesen. Ebenso die Forderung der Europäischen Union, bei Wasserprojekten auch deren Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit zu prüfen. Damit nicht beispielsweise ein künstliches Trinkwasser-Reservoir – etwa ein Stausee – teuer angelegt wird und dadurch ein natürliches Reservoir – wie ein Mangrovensumpf oder ein Fluss-System – austrocknet.

Kein Menschrecht auf Wasser

Diese Aspekte finden sich nicht in der Schluss-Erklärung. Für den künftigen Chef des UN-Umweltprogramms Achim Steiner, er folgt im Juni Klaus Töpfer nach, bedeutet das aber nicht, dass das Forum gescheitert ist: „Den Kern dieses Treffens muss man ja auch unter folgendem Phänomen betrachten: Es ist das vierte Weltwasserforum. Und mit jedem Forum wächst die Zahl der Menschen, die dieses Forum besuchen und daran teilnehmen. Ich glaube, es ist Ausdruck eines Bedürfnisses, den Dialog zu suchen. Die Wasserfrage wird immer dramatischer und keiner hat im Augenblick die Fähigkeit, diese Herausforderung alleine anzunehmen. Ob das jetzt der Staat ist, ob das die Umwelt- oder Menschenrechtsbewegung ist oder ob das die Wasserunternehmen sind, die vor ein paar Jahren noch glaubten, sie könnten auf dem Wege des Marktes das Wasser der Zukunft bereitstellen.“

13000 Experten, Betroffene, Unternehmer, Politiker und Aktivisten haben immerhin eine Woche ernsthaft diskutiert, gearbeitet, Projekte kennen gelernt. Und sollen jetzt im Schneeballsystem weitere Projekte initiieren.

Operation erfolgreich, Patient tot

Für Wasser einzutreten, poetische Sonntagsreden über das „Lebenselixier“, über das „Blaue Gold“ zu schwingen, das sei inzwischen politisch opportun geworden, sagt ein Projekt-Mitarbeiter aus Indien: „Sich politisch für Wasser einzusetzen oder Wasser zur Verfügung zu stellen, ist sehr sexy. Sanitäre Anlagen aber sind es nicht. Die Gefahr ist deshalb, dass wir zwar das Milleniumsziel beim Wasser erreichen, dabei aber nicht auf die sanitären Anlagen achten. Das könnte bedeuten: die Operation war erfolgreich, aber der Patient ist tot“. Gestorben an Durchfallerkrankungen, an Malaria, an Ruhr, Hepatitis oder anderen Krankheiten, die durch unhygienische Verhältnisse hervorgerufen werden und an denen schon jetzt Tag für Tag allein 4500 Kinder elendig sterben.

Die Probleme sind erkannt, die Arbeit vor Ort muss intensiviert weitergehen, auch ohne das trockene Papier eines Menschenrechtes auf Wasser. In drei Jahren will der Weltwasserrat die nächste Erfolgskontrolle durchführen: am Bosporus, im türkischen Istanbul, soll 2009 das 5. Weltwasserforum tagen. Bis dahin wird noch viel Wasser die Flüsse herunterließen – hoffentlich.

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