López Obrador zum Gegenpräsidenten ausgerufen

Vor Wochen bereits hat das Oberste Gericht Mexikos entschieden, wer die Präsidentschaftswahlen gewonnen hat: Der konservative Kandidat Calderon. Der linke Kandidat López Obrador – nur einen hauchdünnen halben Prozentpunkt hinter ihm – will das aber nicht akzeptieren. Nun riefen ihn seine Anhänger zum Gegenpräsidenten aus.

Von Michael Castritius, ARD-Hörfunkstudio Mexiko City

Das Ende eines Präsidentschaftsbewerbers: Wahlverlierer Andrés Manuel López Obrador hat sich vom politischen System seines Landes losgesagt. Er will eine Gegenregierung bilden, eine neue Verfassung ausarbeiten: „Wir wollen eine neue Republik aufbauen“, rief er den hunderttausenden Mexikanern zu, die zu seiner „national-demokratischen Volksversammlung“ auf den Zócalo-Platz der Hauptstadt gekommen waren. Per Handzeichen bestimmten sie ihn zum so genannten „rechtmäßigen Präsidenten Mexikos“.

Dieses selbst erfundene Amt soll López Obrador am 20. November antreten, elf Tage bevor der konservative Wahlsieger Felipe Calderón offiziell in den Präsidentenpalast einzieht. Der 20. November, das ist ein symbolträchtiges Datum. Denn am 20. November 1910 griffen die Mexikaner zu den Waffen, um sich gegen den Diktator und Wahlbetrüger Porfirio Diaz zu erheben. Es war der Beginn der blutigen mexikanischen Revolution, die sich mit all ihren Wirren ein ganzes Jahrzehnt hinzog.

„Wir lehnen die Scheinrepublik ab“

López Obrador versicherte aber, seine Bewegung werde friedlich bleiben. Ziel sei der Kampf gegen Armut, Korruption, Privilegien und Privatisierungen: „Wir lehnen die Scheinrepublik ab“, sagte López Obrador mit dem Rücken zum Präsidentenpalast. „Deshalb erklären wir das alte Regime der Banker, der Beziehungen und der korrupten Politiker für abgeschafft.“

Dieses „Regime“, die junge mexikanische Demokratie, hatte erst vor sechs Jahren den ersten frei gewählten Präsidenten hervorgebracht. Der konservative Vicente Fox gewann im Jahr 2000 deutlich. Am 2. Juli dieses Jahres siegte wieder der konservative Kandidat, allerdings nur mit einem halben Prozentpunkt Vorsprung. Der unterlegene Linke López Obrador hatte die Wahl zunächst legal angefochten und eine komplette Neuauszählung verlangt. Das Oberste Wahlgericht ließ neun Prozent der Stimmen nachprüfen und erklärte die Wahl danach für gültig.

Erst vor diesem Wochenende haben die Anhänger von López Obrador ihre Mega-Mahnwache aufgelöst, ein gigantisches Zeltlager, das Teile des Zentrums von Mexiko-Stadt lähmte. Diese Protestform soll nicht weitergeführt werden, auf den Straßen dürfte die Hauptstadt somit zur Ruhen kommen.

Zerreißprobe für die Linke

Vor einer Zerreißprobe steht jetzt die linke „Partei der demokratischen Revolution“ (PRD), die López Obrador zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gemacht hatte. Sie ist bei der gleichzeitig durchgeführten Parlamentswahl zur zweitstärksten Fraktion geworden und könnte im Kongress Politik mitgestalten. Politik, die ihr selbst ernannter „rechtmäßiger Präsident“ bekämpft.

„Wir können nicht mit einem Bein in den demokratischen Institutionen stehen, die wir mit dem anderen Bein treten“, rumort es in der PRD. Die gerade so erfolgreiche Linke Mexikos werde durch das Streben des Andrés Manuel López Obrador um Jahre zurückgeworfen. Den demokratisch gewählten Felipe Calderón will der Wahlverlierer aber nie anerkennen. Das kann Mexiko verkraften, zumal außerhalb seiner Anhängerschar niemand den „deklamierten Präsidenten López Obrador“ anerkennen wird.

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